Sturz der Titanen
Armee.«
»Aber er steht zu dir.«
»Ich weiß nicht einmal, wo er ist.«
»Ich finde den Drecksack schon!«
Ethel legte ihm eine Hand auf den Arm. »Sei nicht wütend, Brüderchen. Wenn ich deine Hilfe brauche, bitte ich dich darum.«
Billy wusste offensichtlich nicht, was er sagen sollte. Rachedrohungen halfen eindeutig nicht weiter, und etwas anderes fiel ihm nicht ein. Er war verwirrt, aber er war ja auch gerade erst sechzehn.
Ethel erinnerte sich noch, wie Billy als Säugling war. Bei seiner Geburt war sie erst fünf gewesen, aber sie wusste noch heute, wie fasziniert sie von ihm gewesen war, von seiner Verletzlichkeit und Vollkommenheit. Bald habe ich selber ein wunderschönes, hilfloses Baby, dachte sie, wusste aber nicht, ob sie glücklich sein sollte oder verängstigt.
Billy sagte: »Dah wird dazu wohl was zu sagen haben.«
»Das macht mir die meisten Sorgen«, gestand Ethel. »Wenn ich doch nur irgendetwas tun könnte, damit es leichter für ihn wird.«
Gramper kam herunter. »Ham se dich rausgeschmissen?«, fragte er, als er den Koffer sah. »Warst wohl zu frech, watt?«
Mam sagte: »Sei jetzt bitte nicht grausam, Papa. Sie erwartet ein Kind.«
»Ach du je.« Gramper riss die Augen auf. »Hat dich einer von den feinen Pinkeln vernascht, watt? Wahrscheinlich der Earl selber, überraschen tät’s mich nich’.«
»Papa!«, rief Mam.
»Gramper!«, sagte Ethel, bestürzt, dass er die Wahrheit so schnell erraten hatte.
»Ein Diener war’s, der mit ’nem Hausgast gekommen ist«, sagte Mam. »Jetzt ist er in der Armee. Sie will nicht, dass wir ihn suchen tun.«
»Ach ja?«, sagte Gramper. Ethel merkte, dass er nicht überzeugt war, aber er bohrte nicht nach. Stattdessen sagte er: »Das is’ die Italienerin in dir, Mädel. Deine Großmutter war auch so ’ne Heißblütige. Sie wär in Schwierigkeiten gekommen, hätt ich sie nich’ geheiratet. Sie war’s, die nich’ bis zur Hochzeit warten wollte, und sie hat sogar …«
Mam unterbrach ihn: »Papa! Nicht vor den Kindern.«
»Was soll se denn jetz’ noch erschrecken? Ich bin zu alt für Ammenmärchen. Junge Weiber wollen’s nun mal mit jungen Kerlen treiben. Sie wollen’s so sehr, dass sie’s tun, ob verheiratet oder nich’. Jeder, wer watt anderes sagt, ist ’n Blödmann. Datt gilt auch für deinen Alten, Caramädel.«
»Versündige dich nicht, Papa!«, sagte Mam.
»Is’ ja schon gut«, murrte Gramper. Er versank in Schweigen und trank seinen Tee.
Die Stille hielt an, bis Dah ins Zimmer kam. Mam blickte ihn überrascht an. »Du bist aber früh zurück!«, rief sie.
Er hörte den Unwillen in ihrer Stimme. »So wie du es sagst, hört es sich an, als wäre ich nicht willkommen.«
Mam stand vom Tisch auf und machte ihm Platz. »Ich mach frischen Tee.«
»Die Sitzung wurde abgesagt«, sagte Dah. Er stutzte, als er Ethels Koffer sah. »Was ist das?«
Ethel ließ ängstlich den Blick schweifen. In jedem Gesicht lag ein anderer Ausdruck: Bei Mam war es Angst, bei Billy Trotz und bei Gramper eine Art Schicksalsergebenheit. Schließlich blickte sie ihren Vater an. »Ich muss dir etwas sagen, Dah«, begann sie. »Du wirst wütend sein. Bitte glaub mir, es tut mir schrecklich leid.«
Dah zog ein finsteres Gesicht. »Was hast du getan?«
»Ich habe meine Stellung auf Ty Gwyn verloren.«
»Das muss dir nicht leidtun. Ich habe es nie gemocht, wie du vor diesen Schmarotzern buckeln musstest.«
»Ich bin aus einem bestimmten Grund gegangen.«
Dah kam näher und stellte sich vor sie hin, sodass er sie überragte. »Ein guter oder ein schlechter Grund?«
»Ich bin in Schwierigkeiten.«
Er musterte sie drohend. »Ich hoffe, das heißt nicht, was Mädchen manchmal meinen, wenn sie das sagen.«
Sie senkte den Blick starr auf den Tisch und nickte.
»Hast du …« Er hielt inne und suchte nach einem passenden Ausdruck. »Hast du einen Fehltritt begangen?«
»Aye.«
»Du sündhaftes Mädchen!«
Mam hatte sich ähnlich ausgedrückt. Ethel krümmte sich, obwohl sie nicht glaubte, dass Dah sie schlagen würde.
»Sieh mich an!«, sagte er.
Sie blickte durch einen Tränenschleier zu ihm auf.
»Du willst mir also sagen, dass du die Sünde der Unzucht auf dich geladen hast?«
»Tut mir leid, Dah …«
»Mit wem?«, brüllte er.
»Mit einem Diener.«
»Wie heißt er?«
»Teddy.« Der Name war heraus, ehe sie nachdenken konnte.
»Und weiter?«
»Das ist unwichtig.«
»Unwichtig? Was um alles in der Welt soll das bedeuten?«
»Er kam ins
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