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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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erfahren. »Was ist denn mit Robert los?«, fragte Maud, wobei sie sich zu Bea neigte.
    Robert wandte sich an sämtliche Anwesenden. »Österreich hat Serbien den Krieg erklärt«, verkündete er.
    Einen Augenblick kam es Maud so vor, als stehe die Welt still. Niemand bewegte sich, niemand sprach. Maud starrte auf Roberts Lippen unter dem gewellten Bart und hoffte, sich verhört zu haben. In diesem Moment schlug die Uhr auf dem Kaminsims, und erstauntes Gemurmel erhob sich im Salon.
    Maud traten Tränen in die Augen. Walter reichte ihr ein säuberlich gefaltetes weißes Taschentuch. Sie blickte Robert an und sagte: »Sie werden einrücken müssen.«
    »Aber ja!«, entgegnete Robert forsch, wirkte aber ängstlich.
    Fitz erhob sich. »Ich kehre ins Oberhaus zurück. Ich muss wissen, was vor sich geht.«
    Auch andere Gäste verabschiedeten sich. Im allgemeinen Tumult sprach Walter leise Maud an. »Albert Ballins Vorschlag ist plötzlich zehnmal wichtiger geworden.«
    Maud war der gleichen Ansicht. »Können wir irgendetwas tun?«
    »Ich muss wissen, was die britische Regierung wirklich davon hält.«
    »Dann werde ich versuchen, das herauszufinden.« Maud war froh, dass sie etwas zu tun hatte.
    »Ich muss jetzt zurück in die Botschaft.«
    Maud blickte Walter hinterher. Sie hätte ihm so gerne einen Abschiedskuss gegeben. Bedrückt ging sie nach oben auf ihr Zimmer, kleidete sich aus und sank aufs Bett. Bei dem Gedanken, dass Walter einrücken müsste, begann sie haltlos zu schluchzen, bis sie sich irgendwann in den Schlaf geweint hatte.
    Als sie aufwachte, wurde es Zeit, sich für einen Besuch fertig zu machen. Maud war bei Lady Glenconner zu einer musikalischen Soiree eingeladen. Sie erwog, zu Hause zu bleiben; dann aber kam ihr der Gedanke, dass vielleicht der ein oder andere Minister ins Haus der Glenconners kam. Vielleicht erfuhr sie ja etwas, das Walter von Nutzen sein konnte. Maud stand auf und zog sich an.
    Mit Tante Herm fuhr sie in Fitz’ Kutsche durch den Hyde Park zur Queen Anne’s Gate, wo die Glenconners wohnten. Unter den Gästen war Mauds alter Freund Johnny Remarc, ein Staatssekretär im Kriegsministerium; vor allem aber war Sir Edward Grey anwesend, der Außenminister. Sie beschloss, mit ihm über Albert Ballin zu sprechen.
    Doch ehe sie Gelegenheit dazu bekam, setzte die Musik ein, und sie nahm Platz, um zuzuhören. Campbell MacInnes sang Arien von Händel – ein deutscher Komponist, der den größten Teil seines Lebens in London verbracht hat, dachte Maud nicht ohne Ironie.
    Während des Rezitals beobachtete sie verstohlen Sir Edward. Sie mochte ihn nicht besonders, denn er gehörte einer politischen Gruppierung an, die »Liberale Imperialisten« genannt wurde und traditionsverhafteter und konservativer war als der Rest der Partei. Dennoch empfand sie einen Hauch Sympathie für ihn. Er war nie besonders fröhlich gewesen; an diesem Abend jedoch wirkte sein stets blasses Gesicht äschern, als lastete das Gewicht der Welt auf seinen Schultern – was ja auch der Fall war.
    MacInnes sang wundervoll. Maud dachte mit Bedauern daran, wie sehr Walter diese Vorstellung genossen hätte.
    Als die Musik verklungen war, fing Maud den Außenminister ab. »Mr. Churchill sagt«, sprach sie ihn an, »Sie hätten eine interessante Nachricht von Albert Ballin erhalten.« Sie sah, wie Greys Miene gefror, ließ aber nicht locker. »Wenn wir uns aus einem europäischen Krieg heraushalten, versprechen die Deutschen, kein französisches Gebiet zu annektieren, nicht wahr?«
    »So ungefähr«, erwiderte Grey kühl.
    Offenbar hatte sie ein unangenehmes Thema angeschnitten. Die Regeln des Anstands verlangten, dass sie es augenblicklich fallen ließ. Doch es war nicht nur ein diplomatisches Manöver; es ging darum, ob Fitz und Walter in den Krieg ziehen mussten. Maud hakte nach: »Wie ich hörte, geht es uns vor allem darum, dass das Gleichgewicht der Kräfte in Europa gewahrt bleiben soll; deshalb war ich der Ansicht, dass der Vorschlag von Herrn Ballin uns gerade recht käme. Habe ich mich da geirrt?«
    »Allerdings«, sagte Grey und fügte unerwartet heftig hinzu: »Dieser Vorschlag ist infam!«
    Bedrückt fragte sich Maud, wie Grey einen Vorschlag zurückweisen konnte, der ein wenig Hoffnung bot. »Aber warum?«, fragte sie. »Könnten Sie das einer Frau erklären, die die Zusammenhänge nicht so schnell erfasst wie Sie?«
    »Ballins Vorschlag zu folgen würde Deutschland den Weg zur Invasion Frankreichs ebnen. Wir

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