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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wären Komplizen. Es wäre Verrat an einem Freund.«
    »Oh«, sagte Maud, »ich glaube, ich verstehe. Es wäre so, als würde jemand vorschlagen: ›Ich breche in das Haus deines Nachbarn ein, aber wenn du dich nicht einmischst, verspreche ich dir, es hinterher nicht niederzubrennen.‹ Könnte man es so sagen?«
    Grey taute ein wenig auf. »Ein guter Vergleich«, entgegnete er mit einem Totenkopfgrinsen. »Ich werde ihn selbst verwenden.«
    »Vielen Dank, Sir«, sagte Maud. Sie war bitter enttäuscht und wusste, dass es ihr anzusehen war, aber sie konnte nichts dagegen tun. Düster fügte sie hinzu: »Leider stehen wir dadurch gefährlich nahe vor einem Krieg.«
    »Ich fürchte, da haben Sie recht«, sagte der Außenminister.

    Das britische Parlament setzte sich aus zwei Kammern zusammen. Fitz gehörte dem Oberhaus an, dem House of Lords, in dem der Hochadel, die Bischöfe und die höheren Richter vertreten waren. Das House of Commons, das Unterhaus, bestand aus gewählten Volksvertretern, die als Members of Parliament oder » MP s« bekannt waren, den Parlamentsabgeordneten. Beide Kammern versammelten sich im Westminster Palace, dem für diesen Zweck errichteten neugotischen Bauwerk mit seinem berühmten Uhrenturm. Die Uhr wurde Big Ben genannt, obwohl dies eigentlich der Name der großen Glocke war, worauf Fitz gerne hinwies.
    Als Big Ben am Mittwoch, dem 29. Juli, zur Mittagsstunde schlug, bestellten sich Fitz und Walter auf der Terrasse an der übel riechenden Themse einen Sherry vor dem Lunch. Fitz blickte wie immer zufrieden auf den Palast: Er war riesig, prachtvoll und solide, genau wie das Empire, das auf seinen Korridoren und in seinen Sälen regiert wurde. Das Gebäude sah aus, als würde es tausend Jahre halten – aber ob das Empire so lange überlebte? Fitz zitterte bei dem Gedanken an die Gefahren, denen es ausgesetzt war: Gewerkschaftler, die den Pöbel aufstachelten, streikende Bergarbeiter, der deutsche Kaiser, die Labour-Partei, die Iren, die Suffragetten – sogar seine eigene Schwester.
    Doch er äußerte solche ernsten Gedanken nicht, schon gar nicht, da sein Gast Ausländer war. »Hier ist es wie in einem Club«, sagte er gut gelaunt. »Es gibt Bars, Speisesäle und eine recht gute Bibliothek, und nur die richtigen Leute werden eingelassen.« In diesem Augenblick ging ein Parlamentsabgeordneter der Labour-Partei mit einem liberalen Peer an ihnen vorüber, und Fitz fügte hinzu: »Manchmal schleicht sich das Pack allerdings am Türsteher vorbei.«
    Walter platzte fast vor Neuigkeiten. »Hast du schon gehört?«, fragte er. »Kaiser Wilhelm hat eine Kehrtwende gemacht.«
    Nein, Fitz hatte nicht davon gehört. »Inwiefern?«
    »Er sagt, die serbische Antwort räume jeden Kriegsgrund aus, und Österreich müsse in Belgrad haltmachen.«
    Fitz war gegenüber Friedensplänen misstrauisch. Sein Hauptanliegen war, dass Großbritannien seine Position als mächtigstes Land der Welt behielt. Er fürchtete, die liberale Regierung könnte sich aus einem törichten Glauben heraus, alle Nationen wären gleichermaßen souverän, diese Stellung aus den Händen gleiten lassen. Sir Edward Grey war ein solider Politiker, konnte jedoch vom linken Flügel seiner Partei – aller Wahrscheinlichkeit nach von Lloyd George geführt – ausmanövriert werden. Und dann war alles möglich.
    »Belgrad als Faustpfand«, sagte er nachdenklich. Die serbische Hauptstadt lag an der Grenze; um sie einzunehmen, brauchte das österreichische Heer nur eine Meile weit auf feindliches Gebiet vorzurücken. Russland ließ sich vielleicht überzeugen, dies als Polizeiaktion zu betrachten, die keine Bedrohung darstellte. »Ich weiß nicht recht.«
    Fitz wollte keinen Krieg, fand aber irgendwie Geschmack an der Aussicht. Ein Krieg würde ihm die Chance bieten, seinen Mut zu beweisen. Sein Vater hatte sich bei Seegefechten auszeichnen können, doch Fitz war nie im Kampf gewesen. Bestimmte Dinge aber musste man einfach tun, ehe man sich wirklich als Mann bezeichnen konnte; dazu gehörte auch, für König und Vaterland zu kämpfen.
    Ein Diener in Hofkleidung – samtenen Kniehosen und weißen Seidenstrümpfen – sprach sie an. »Guten Tag, Earl Fitzherbert. Ihre Gäste sind eingetroffen und haben sich unverzüglich in den Speisesaal begeben, Mylord.«
    Nachdem der Bote verschwunden war, fragte Walter: »Wieso müssen die Leute sich so anziehen?«
    »Aus Tradition«, erwiderte Fitz.
    Sie tranken aus und machten sich auf den Weg. Auf dem Gang

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