Sturz der Titanen
sagte sie.
Er schüttelte den Kopf. »Mit sechzehn war ich mal auf der Burg von Roberts Familie in Ungarn zu Besuch. Da gab es ein Dienstmädchen, Greta. Sie war sehr … aufgeschlossen. Wir hatten keinen Geschlechtsverkehr, aber wir haben verschiedene Dinge ausprobiert. Ich habe sie so berührt, wie ich dich in der Bibliothek von Sussex House berührt habe … Du bist doch jetzt nicht wütend, weil ich dir davon erzähle?«
Sie küsste sein Kinn. »Überhaupt nicht.«
»Bei Greta war alles genau wie bei dir.«
»Was stimmt dann nicht?«
Er seufzte, schob sich von ihr herunter, zog sie an sich und küsste sie auf die Stirn. »Ich habe gehört, dass frisch verheiratete Paare manchmal Schwierigkeiten haben, weil sie nervös oder ängstlich sind. Wir müssen geduldig sein, einander lieben und sehen, was dann geschieht.«
»Aber wir haben nur eine Nacht!« Maud brach in Tränen aus.
Walter streichelte sie und sagte: »Schon gut, ist ja gut«, aber es nutzte nichts. Sie kam sich wie eine Versagerin auf ganzer Linie vor. Da hatte sie sich für so klug gehalten, weil sie ihrem Bruder entwischt war und Walter heimlich geheiratet hatte, und jetzt hatte sich alles zur Katastrophe gewendet. Sie war enttäuscht um ihretwillen; vor allem aber tat Walter ihr leid. Wie schlimm für ihn, achtundzwanzig Jahre lang zu warten, um dann eine Frau zu heiraten, die ihn nicht befriedigen konnte.
Wenn sie nur jemanden gehabt hätte, mit dem sie darüber reden könnte, am besten eine andere Frau … aber wen? Der Gedanke, Tante Herm um Rat anzugehen, war absurd. Manche Frauen weihten ihr Dienstmädchen in ihre Geheimnisse ein, doch Maud hatte nie eine so enge Beziehung zu Sanderson gehabt. Ethel Williams wäre die Richtige gewesen, aber sie war mit Robert davongegangen.
Walter setzte sich auf. »Lass uns das Abendessen und eine Flasche Wein bestellen«, sagte er. »Wir setzen uns als Mann und Frau an den Tisch und reden über dies und das. Später versuchen wir es dann noch mal.«
Maud hatte keinen Appetit und konnte sich nicht vorstellen, »über dies und das« zu sprechen, aber sie willigte ein, weil sie keine bessere Idee hatte. Niedergeschlagen kleidete sie sich wieder an. Auch Walter machte sich präsentabel, ging ins Nebenzimmer und klingelte nach einem Kellner. Maud hörte, wie er kalten Braten, Räucherfisch, Salat und eine Flasche Weißwein bestellte.
Sie setzte sich an ein offenes Fenster und blickte auf die Straße unten. Auf einer Zeitungstafel stand: BRITISCHES ULTIMATUM AN DEUTSCHLAND . O Gott, vielleicht fiel Walter in diesem Krieg. Sie wollte nicht, dass er starb, ohne mit einer Frau geschlafen zu haben.
Walter rief sie, als das Essen gebracht worden war, und sie ging zu ihm ins Nebenzimmer. Der Kellner hatte eine weiße Tischdecke ausgebreitet und Teller mit Räucherlachs, aufgeschnittenem Kochschinken, grünem Salat, Tomaten, Gurken und Weißbrotscheiben darauf abgestellt. Maud war nicht hungrig, doch Walter zu Gefallen trank sie von dem Wein, den er ihr einschenkte, und aß einen Bissen Lachs.
Am Ende sprachen sie doch über dies und das. Walter erzählte von seiner Kindheit, von seiner Mutter und seiner Zeit in Eton. Maud erzählte von Hausgesellschaften auf Ty Gwyn, als ihr Vater noch gelebt hatte. Die mächtigsten Männer des Landes waren zu Gast gewesen, und ihre Mutter hatte bei der Zuweisung der Schlafräume beachten müssen, dass die Herren in der Nähe ihrer Mätressen nächtigen konnten.
Zuerst, stellte Maud fest, hatten sie und Walter Konversation betrieben, als wären sie zwei Leute, die sich kaum kannten. Aber schon bald stellte sich ihre gewohnte Vertraulichkeit ein, und sie sagte nur noch, was ihr in den Sinn kam. Der Kellner räumte das Abendessen ab, und sie gingen auf die Couch, wo sie weiterredeten und einander bei den Händen hielten. Sie spekulierten über das Sexualleben anderer Leute: ihrer Eltern, Fitz’, Roberts, Ethels, sogar das der Herzogin. Maud hörte gebannt zu, als Walter von Männern wie Robert erzählte: wo sie sich trafen, wie sie einander erkannten, was sie taten. Sie küssten sich ganz so, wie andere Männer Frauen küssten, sagte Walter; außerdem taten sie das, was sie bei ihm in der Oper getan hatte, und noch mehr … Er behauptete, die Einzelheiten nicht zu wissen, doch Maud glaubte eher, dass er zu verlegen war, um davon zu sprechen.
Sie war erstaunt, als die Uhr auf dem Kaminsims Mitternacht schlug. »Lass uns zu Bett gehen«, sagte sie. »Ich möchte in deinen Armen
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