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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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markerschütterndem Krachen schlugen mehrere Granaten ein, einige davon genau im Ziel. Rechts und links von Grigori schossen Fontänen aus Erde, zerfetztem Holz und Körperteilen in die Höhe. Furchtbare Schreie erfüllten die Luft. Grigori bebte vor Angst. Er konnte nichts tun, konnte sich nicht einmal schützen: Entweder traf die nächste Granate ihn, oder sie traf nicht. Grigori beschleunigte seine Schritte, als würde es helfen, wenn man schneller lief. Seine Kameraden dachten offenbar genauso, denn auch sie liefen los, ohne den entsprechenden Befehl erhalten zu haben.
    Grigori umklammerte mit verschwitzten Händen sein Gewehr und versuchte, die aufkeimende Panik in Schach zu halten. Weitere Granaten schlugen ein – vor und hinter ihm, rechts und links. Er rannte schneller.
    Das Geschützfeuer wurde so schwer, dass Grigori die einzelnen Granateneinschläge nicht mehr auseinanderhalten konnte. Die Explosionen verschmolzen zu einem einzigen Donnern, das die Erde beben ließ, ein Lärm wie von hundert Expresszügen. Dann, von einer Sekunde zur anderen, endete der Beschuss. Augenblicke später erreichten Grigori und seine Kameraden eine breite Rodung. Warum feuerte die deutsche Artillerie nicht mehr?
    Unvermittelt ratterte zwischen den Bäumen auf der anderen Seite der Rodung ein Maschinengewehr los. Mit Übelkeit erregender Angst erkannte Grigori, dass sie die feindlichen Linien erreicht hatten. So schnell er konnte, rannte er in den Wald zurück. Die Maschinengewehrkugeln zerrissen Blätter, zerfetzten Holz. Neben sich hörte Grigori einen gellenden Schrei und sah Tupolew fallen. Sofort rannte er zu dem Leutnant und kniete sich neben ihn. Gesicht und Brust des jungen Offiziers waren blutüberströmt. Entsetzt sah Grigori, dass ein Auge zerfetzt war. Tupolew versuchte, sich zu bewegen, und schrie dabei vor Schmerz. »O Gott, was soll ich tun?«, stieß Grigori hervor. »Was soll ich tun?« Eine Fleischwunde hätte er verbinden können, aber wie sollte er einem Mann helfen, der einen Schuss ins Auge abbekommen hatte?
    Er spürte einen Schlag am Kopf und hob den Blick. Iwanow stürmte an ihm vorbei und brüllte: »Lauf weiter, Peschkow, du dämlicher Kuhficker!«
    Grigori starrte Tupolew noch einen Moment an. Er hatte den Eindruck, als würde der Offizier nicht mehr atmen. Sicher war er sich zwar nicht, doch er sprang auf und rannte los.
    Die deutschen Maschinengewehrschützen feuerten unerbittlich weiter, und Grigoris Angst verwandelte sich in Wut. Mit jeder feindlichen Kugel loderte sein Zorn heißer empor. Er wollte diese Bastarde töten, töten, töten! Ein paar Hundert Meter vor ihm, auf der anderen Seite der Rodung, sah er graue Uniformen und Pickelhauben. Er kniete sich hinter einen Baum, spähte um den Stamm herum, hob sein Gewehr, legte auf einen der Deutschen an und betätigte zum ersten Mal den Abzug.
    Nichts. Erst dann fiel Grigori ein, dass seine Waffe noch gesichert war.
    Da es bei der Mosin-Nagant nahezu unmöglich war, die Sicherung zu lösen, wenn man das Gewehr im Anschlag hatte, nahm Grigori die Waffe wieder herunter und drehte den großen Knopf, der den Schlagbolzen sicherte. Dabei ließ er den Blick in die Runde schweifen. Seine Kameraden hatten ebenfalls innegehalten und Deckung gesucht. Keiner war auf die Rodung und ins ungeschützte Freie gelaufen. Ein paar Männer schossen, andere luden nach; einige wanden sich schreiend unter Schmerzen am Boden, wieder andere rührten sich nicht mehr.
    Wieder spähte Grigori um den Baumstamm herum, legte die Waffe zum zweiten Mal an und kniff die Augen zusammen, um besser zielen zu können. Er sah ein Gewehr aus einem Strauch ragen; darüber war eine Pickelhaube zu erkennen. Hass loderte in Grigori auf. Er schoss, lud durch, schoss und lud durch, so lange, bis das fünfschüssige Magazin leer war. Das deutsche Gewehr, auf das er zielte, wurde blitzschnell zurückgezogen, fiel aber nicht zu Boden. Grigori fluchte lautlos. Wie es aussah, hatte er danebengeschossen.
    Mit zitternden Fingern öffnete er seine Munitionstasche und lud nach. Erneut lugte er um den Baum herum und entdeckte einen Deutschen, der durch eine Lücke zwischen den Bäumen rannte. Wieder leerte Grigori sein Magazin, aber der Mann lief weiter und verschwand hinter einem Gestrüpp von Setzlingen.
    Einfach nur schießen reichte nicht, erkannte Grigori. Bei einem richtigen Gefecht war alles ganz anders als bei den paar Schießübungen, die er während seiner Ausbildung absolviert hatte. Alles

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