Sturz der Titanen
war viel schwieriger. Er musste sich besser konzentrieren und kühlen Kopf bewahren.
Als Grigori nachlud, hörte er, wie ein weiteres Maschinengewehr das Feuer eröffnete. Um ihn herum schlugen die Kugeln ein, rissen krachend große Holzstücke aus den Baumstämmen, die gefährlich durch die Luft wirbelten. Grigori drückte sich mit dem Rücken an den Baum und zog die Beine an, um ein kleineres Ziel abzugeben. Sein Gehör sagte ihm, dass das MG sich ein gutes Stück links von ihm befand.
Als der Beschuss endete, brüllte Iwanow in die plötzliche, gespenstische Stille: »Schießt auf das MG , ihr dämlichen Tunten! Schießt, solange sie nachladen!« Grigori steckte den Kopf heraus, suchte nach dem MG -Nest und entdeckte die Lafette zwischen zwei großen Bäumen. Er zielte, hielt dann aber inne. Einfach nur schießen reicht nicht, ermahnte er sich noch einmal. Er hielt inne, atmete gleichmäßig, hielt den schweren Lauf so ruhig, wie er konnte, und wartete. Sekunden später bekam er eine Pickelhaube ins Visier. Er senkte den Lauf ein wenig ab, sodass er die Brust des Mannes sehen konnte.
Grigori feuerte.
Und verfehlte wieder sein Ziel. Der Deutsche schien den Schuss nicht einmal bemerkt zu haben. Grigori hatte keine Ahnung, wo die Kugel gelandet sein könnte.
Er schoss erneut, leerte abermals sein Magazin, ohne die geringste Wirkung zu erzielen. Es war zum Wahnsinnigwerden. Die Dreckskerle versuchten, ihn zu töten, und er schaffte es nicht, auch nur einen von ihnen zu treffen! Vielleicht war er zu weit weg. Oder er war einfach nur ein lausiger Schütze.
Das Maschinengewehr ratterte wieder los. Es regnete Blätter und Holzfetzen.
Major Bobrow kam zu seinen Leuten nach vorn, indem er auf allen vieren über den Waldboden kroch. »Männer!«, rief er. »Auf meinen Befehl stürmt ihr die MG -Stellung!«
Du bist wohl verrückt, dachte Grigori. Ohne mich!
Sergeant Iwanow wiederholte den Befehl: »Los, das MG -Nest stürmen! Wartet auf das Kommando!«
Major Bobrow richtete sich auf und rannte geduckt die Kampflinie hinunter. Grigori hörte, wie er den gleichen Befehl ein Stück entfernt noch einmal rief. Du verschwendest deinen Atem, dachte Grigori. Hältst du uns für Selbstmörder?
Das Rattern des Maschinengewehrs verstummte, und der Major richtete sich tollkühn zu voller Größe auf. Er hatte seine Mütze verloren, sodass sein silbernes Haar ihn zu einem perfekten Ziel machte. »Vorwärts!«, brüllte er.
Iwanow wiederholte den Befehl: »Los! Vorwärts, Männer! Vorwärts!«
Bobrow und Iwanow rannten aus der Deckung der Bäume hervor und stürmten auf das Maschinengewehrnest zu. Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachzudenken, tat Grigori es ihnen nach. Er rannte auf die Rodung und versuchte dabei, sein unhandliches Gewehr nicht fallen zu lassen. Das feindliche MG schwieg. Doch die Deutschen schossen mit allem anderen, was sie hatten, und die Wirkung Dutzender Gewehre, die gleichzeitig feuerten, war kaum weniger verheerend als ein MG . Doch Grigori rannte weiter, voller Hass, Wut und Todesverachtung. Er sah, wie die deutschen MG -Schützen in verzweifelter Hast einen neuen Gurt einlegten; ihre Gesichter waren weiß von Furcht. Ein paar Russen warfen sich zu Boden und feuerten, doch Grigori rannte weiter auf die Feinde zu. Er war noch immer ein gutes Stück vom MG entfernt, als er drei Deutsche hinter einem Strauch entdeckte. Sie sahen erschreckend jung aus und starrten ihn verängstigt an. Grigori stürmte auf sie zu; sein Gewehr mit dem Bajonett hielt er wie eine mittelalterliche Lanze. Er hörte jemanden brüllen und erkannte, dass er selbst es war. Die drei jungen Soldaten rannten davon.
Grigori setzte ihnen nach, doch Hunger und Anspannung hatten ihn geschwächt, und so entkamen sie ihm mit Leichtigkeit. Nach gut hundert Metern hielt er erschöpft an. Überall um ihn herum flohen nun die Deutschen, und die Russen jagten ihnen nach. Die MG -Mannschaft hatte ihre Waffe zurückgelassen. Grigori beobachtete die fliehenden Feinde, ohne zu schießen; im Augenblick hatte er nicht einmal die Kraft, sein Gewehr zu heben.
Major Bobrow brach aus dem Unterholz hervor und lief die russische Linie entlang.
»Vorwärts!«, brüllte er. »Lasst sie nicht entkommen! Tötet sie alle, sonst kommen sie wieder! Los, vorwärts!«
Müde trabte Grigori wieder los. Dann veränderte sich das Bild. Links von ihm kam es zu einem Tumult. Schüsse, Schreie und Flüche waren zu hören. Sekunden später kamen russische Soldaten
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