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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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zwei Sergeanten, einen britischen und einen deutschen, die in ein Gespräch vertieft waren. Er klopfte dem Briten auf die Schulter. »He, Sie«, sagte er. »Was tun Sie da, zum Teufel?«
    Der Sergeant antwortete in dem gutturalen Dialekt, der auf den Kais von Cardiff gesprochen wurde. »Ich weiß nicht, wie’s passiert ist, Sir, nicht genau. Ein paar von den Jerrys kamen ins Niemandsland, unbewaffnet, und riefen: ›Frohe Weihnachten!‹, dann tat einer von unsern Jungs das Gleiche, und sie gingen aufeinander zu, und eh man sich’s versah, sind alle losmarschiert.«
    »Aber es ist niemand in den Kampfgräben!«, rief Fitz verärgert. »Sehen Sie denn nicht, dass es eine Kriegslist sein könnte?«
    Der Sergeant blickte die Linie hinauf und hinunter. »Nee, Sir, wenn ich ehrlich bin, kann ich nicht sagen, dass ich das seh«, erwiderte er kühl.
    Fitz musste dem Mann recht geben. Wie sollte der Feind sich den Umstand zunutze machen, dass die Frontkämpfer beider Seiten sich verbrüderten?
    Der Sergeant wies auf den Deutschen. »Das ist Hans Braun, Sir«, sagte er. »War mal Kellner im Hotel Savoy in London. Spricht Englisch!«
    Der deutsche Unteroffizier salutierte vor Fitz. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Major«, sagte er auf Englisch. »Frohe Weihnachten, Sir.« Er sprach mit schwächerem Akzent als der Sergeant aus Cardiff. Er hielt Fitz eine Flasche hin. »Möchten Sie einen Schluck Schnaps?«
    »Gütiger Himmel«, entgegnete Fitz.
    Unternehmen konnte er nichts. Selbst mit Unterstützung der Unteroffiziere wie dieses walisischen Sergeants wäre es schwierig gewesen, aber ohne ihre Hilfe war es ein Ding der Unmöglichkeit. Fitz beschloss, den Vorfall lieber einem Vorgesetzten zu melden und das Problem auf ihn abzuwälzen.
    Doch ehe er sich zum Gehen wenden konnte, hörte er, wie sein Name gerufen wurde. »Fitz! Fitz! Bist du es wirklich?«
    Die Stimme war ihm vertraut. Er drehte sich um und sah einen deutschen Hauptmann auf sich zukommen. Als der Mann vor ihm stehen blieb, erkannte er ihn. »Von Ulrich?«, rief er erstaunt.
    »Genau der!« Walter packte Fitz’ Hand und schüttelte sie kräftig. Er war schmaler geworden, und seine helle Haut wirkte wettergegerbt. Wahrscheinlich habe ich mich auch verändert, dachte Fitz.
    »Das ist unglaublich«, sagte Walter, »was für ein Zufall!«
    »Ich bin froh zu sehen, dass du gesund bist und dass es dir gut geht«, sagte Fitz. »Obwohl ich mich offiziell wahrscheinlich darüber ärgern sollte.«
    »Danke, gleichfalls!«
    »Was unternehmen wir denn jetzt?« Fitz wies auf die fraternisierenden Soldaten. »Ich finde es beunruhigend.«
    »Ich auch. Morgen wollen sie vielleicht nicht mehr auf ihre neuen Freunde schießen.«
    »Und was soll nun werden?«
    »Wir brauchen eine Schlacht, damit alles wieder seinen normalen Gang geht. Wenn beide Seiten am Morgen das Trommelfeuer eröffnen, dauert es nicht lange, und der alte Hass ist wieder da.«
    »Ich hoffe, du hast recht.«
    »Wie geht es dir so, alter Freund?«
    Fitz lächelte. »Ich bin Vater geworden. Bea hat einen Jungen zur Welt gebracht. Hier, nimm eine Zigarre.«
    Sie gaben einander Feuer. Walter berichtete, dass er an der Ostfront gewesen war. »Die Russen sind ein korrupter Haufen«, sagte er voller Abscheu. »Die Offiziere verkaufen die Verpflegung ihrer Männer auf dem Schwarzmarkt und lassen sie hungern und frieren. Halb Ostpreußen trägt russische Armeestiefel, während die russischen Soldaten barfuß gehen.«
    Fitz erzählte von Paris. »Dein Lieblingsrestaurant, Les Voisins, hat noch geöffnet«, sagte er.
    Die Soldaten begannen derweil ein Fußballspiel, Großbritannien gegen Deutschland. Uniformmützen und Pickelhauben dienten als Torpfosten. »Nun sieh dir das an«, sagte Fitz. »Ich muss das melden.«
    »Ich auch«, entgegnete Walter. »Aber sag mir noch, wie geht es Lady Maud?«
    »Gut, nehme ich an.«
    »Ich möchte mich ihr ausdrücklich empfehlen, mit meinen besten Wünschen.«
    Fitz merkte auf, so nachdrücklich hatte Walter diese im Grunde alltägliche Bemerkung ausgesprochen. »Aber gern«, sagte er. »Gibt es einen besonderen Grund?«
    Walter wandte den Blick ab. »Kurz bevor ich aus London abgereist bin, habe ich mit ihr getanzt, auf Lady Westhamptons Ball. Das war das letzte Mal, dass ich etwas Zivilisiertes getan habe, bevor dieser verdammte Krieg ausbrach.« Das »verdammt« sprach er deutsch aus. Seine Stimme bebte; für Walter war es höchst ungewöhnlich, dass er Englisch mit Deutsch

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