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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mischte. Vielleicht setzte die Weihnachtsstimmung auch ihm zu.
    Walter fuhr fort: »Es würde mich freuen, wenn sie wüsste, dass ich am Weihnachtsfest mit meinen Gedanken bei ihr war.« Er blickte Fitz mit feuchten Augen an. »Würdest du ihr das ausrichten, alter Freund?«
    »Mach ich«, versprach Fitz. »Ich bin sicher, sie wird sich sehr darüber freuen.«

Kapitel 14
    Februar 1915
    »Ich bin beim Arzt gewesen«, sagte die Frau neben Ethel. »Ich hab zu ihm gesagt, meine Möse juckt.«
    Der ganze Raum lachte. Sie waren im Dachgeschoss eines kleinen Hauses in Ostlondon, unweit von Aldgate. Dicht an dicht saßen zwanzig Frauen auf beiden Seiten eines langen Arbeitstischs vor Nähmaschinen. Heizung gab es nicht, und das eine Fenster war geschlossen, um die Februarkälte draußen zu halten. Die Bodenbretter waren nackt; der alte, weiß getünchte Gips bröckelte von den Wänden, und stellenweise waren die Putzträger zu sehen. Wenn zwanzig Frauen die gleiche Luft atmeten, wurde sie zwar stickig, aber nicht wärmer, sodass alle bei der Arbeit Hut und Mantel trugen.
    Die Frauen hatten gerade eine Pause begonnen, und die Pedale unter ihren Füßen standen kurzzeitig still. Neben Ethel saß Mildred Perkins, eine waschechte Londonerin. Sie war in Ethels Alter und ihre Mieterin. Ohne ihre vorstehenden Vorderzähne wäre sie eine Schönheit gewesen. Ihre Spezialität waren schlüpfrige Witze. Mildred fuhr fort: »Der Doktor sagt, so was sollten Sie nicht sagen, das ist ein schmutziges Wort.«
    Ethel grinste. Mildred sorgte für Augenblicke der Fröhlichkeit, die einzigen Lichtblicke in ihrem düsteren, zwölfstündigen Arbeitstag. Nie zuvor hatte Ethel Leute so reden gehört. Auf Ty Gwyn war das Hauspersonal vornehm gewesen; Londonerinnen hingegen nahmen kein Blatt vor den Mund. Die Näherinnen waren eine bunt gemischte Truppe, was Alter und Herkunft anging, und stammten aus aller Herren Länder. Auch zwei Flüchtlinge aus dem besetzten Belgien waren darunter. Einige sprachen kaum Englisch. Sie hatten nur eines gemeinsam: Sie waren verzweifelt genug, um die Arbeit als Näherin anzunehmen.
    »Was soll ich denn sonst sagen, Herr Doktor, frag ich. Eine Dame, sagt er, sollte vom Intimbereich reden.«
    Sie nähten Uniformen für die British Army – Tausende davon, Jacken und Hosen. Tag für Tag kamen große Pappkartons voller Arme, Rückenteile und Beine aus grobem khakifarbenem Stoff von der Manufaktur eine Straße weiter und wurden hier zusammengenäht. Anschließend gingen sie in eine andere kleine Manufaktur, wo die Knopflöcher gesetzt und die Knöpfe angenäht wurden. Es war Akkordarbeit; die Frauen wurden danach bezahlt, wie viele Uniformen sie fertig nähten.
    »Er fragt: Juckt der Intimbereich ständig, Mrs. Perkins, oder nur ab und zu?«
    Mildred hielt inne. Die Frauen warteten auf die Pointe.
    »Nein, Herr Doktor, sag ich zu ihm, der Intimbereich juckt nur beim Pissen.«
    Die Frauen giggelten.
    Ein dünnes Mädchen von zwölf Jahren kam durch die Tür. Sie trug eine lange Stange über der Schulter, an der genau zwanzig große Henkelbecher aus Steingut hingen. Sie senkte die Stange vorsichtig auf den Arbeitstisch. Die Becher enthielten Tee, Kakao, klare Brühe oder dünnen Kaffee. Jede Frau hatte ihren eigenen Becher. Zweimal täglich, am Vormittag und am Nachmittag, gaben sie Allie, dem Mädchen, ihre Pennys und Halfpennys, und Allie ließ die Becher im Café nebenan auffüllen.
    Die Frauen tranken, reckten sich und rieben sich die Augen. Die Arbeit war nicht so hart wie Kohlemachen, fand Ethel, aber es war schon ermüdend, wenn man stundenlang über die Maschine gebeugt saß und die Naht im Auge behalten musste. Alles musste stimmen. Der Chef, Mannie Litov, prüfte jedes einzelne Stück; wenn es nicht korrekt genäht war, wurde man nicht dafür bezahlt. Doch Ethel hatte den Verdacht, dass Litov die fehlerhaften Uniformen trotzdem weiterschickte.
    Nach fünf Minuten kam Mannie in den Arbeitsraum, klatschte in die Hände und sagte: »Los jetzt, weiter geht’s, zurück an die Arbeit.« Die Näherinnen tranken ihre Becher leer und beugten sich wieder über den Tisch.
    Mannie war zwar ein Sklaventreiber, aber wenigstens nicht der Schlimmste von allen, sagten die anderen Frauen. Wenigstens betatschte er keine seiner Arbeiterinnen und wurde nie zudringlich. Er war um die dreißig und hatte dunkle Augen und einen schwarzen Bart. Sein Vater war ein Schneider, der aus Russland stammte und auf der Mile End Road einen Laden

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