Sturz der Titanen
letzten zwei behielt er selbst.
Wie Billy es befohlen hatte, rannten sie zum nächsten Granattrichter weiter: Bei jedem Mann, der um sein Leben lief, gaben die anderen Sperrfeuer und hielt die Deutschen nieder, so gut es ging. Im nächsten Granattrichter trieben drei in Khaki gekleidete Leichen im schlammigen Wasser. Sie mussten zur ersten Angriffswelle gehört haben. Billy fragte sich, wie sie so weit gekommen waren. Offenbar hatten die MG s beim ersten Schwenk mehrere Männer verfehlt, um sie dann beim Zurückschwenken niederzumähen.
Andere Gruppen näherten sich nun der deutschen Linie, indem sie eine ähnliche Taktik verfolgten. Entweder machten sie es Billys Gruppe nach, oder – was wahrscheinlicher war – sie hatten die gleiche Überlegung angestellt und den idiotischen Befehl, in Reihe zum Sturmangriff anzutreten, aufgegeben und eine klügere Methode des Vorrückens entwickelt. Dies hatte obendrein den Vorteil, dass die Deutschen nicht mehr allein das Geschehen bestimmten. Da sie nun selbst unter Beschuss lagen, konnten sie ihren erbarmungslosen Feuersturm nicht aufrechterhalten.
Vielleicht war das auch der Grund, weshalb Billys Gruppe es ohne Verluste bis in den letzten Granattrichter schaffte. Sie bekamen sogar einen Mann dazu, denn neben Billy lag ein völlig Fremder.
»Wo kommst du denn her?«, fragte Billy verwundert.
»Ich hab meine Gruppe verloren«, antwortete der Mann. »Ihr scheint zu wissen, was ihr tut, deshalb bin ich euch gefolgt. Ich hoffe, ihr habt nichts dagegen.«
Billy glaubte den Akzent den Mannes zu erkennen: Er schien Kanadier zu sein.
»Bist du ’n guter Werfer?«, fragte Billy.
»Glaub schon. War auf der Highschool in der Baseballmannschaft.«
»Gut. Wenn ich es sage, versuchst du, das MG -Nest mit einer Mills-Bombe zu treffen. Hier.« Billy reichte dem Kanadier eine seiner beiden Handgranaten.
Dann befahl er Spotty Llewellyn und Alun Pritchard, ihre Mills-Bomben zu werfen, während der Rest der Gruppe ihnen Feuerschutz gab. Wieder warteten sie ab, bis das MG verstummte. »Jetzt!«, brüllte Billy und richtete sich auf.
Aus dem deutschen Graben kam vereinzeltes Gewehrfeuer. Spotty und Alun hatten Angst vor den Kugeln und warfen ihre Handgranaten überhastet, sodass keine den fünfzig Yards entfernten Graben erreichte; stattdessen detonierten beide, ohne Schaden anzurichten. Billy fluchte: Sie hatten das Maschinengewehr nicht einmal beschädigt. Wie zum Hohn eröffnete es sofort wieder das Feuer. Im nächsten Moment schrie Spotty und führte einen grässlichen, zuckenden Tanz auf, als er von Kugeln durchsiebt wurde.
Billy fühlte sich seltsam ruhig, als er den Stift aus seiner Handgranate zog. Er brauchte eine Sekunde, um sich auf sein Ziel zu konzentrieren, und streckte den Arm weit nach hinten aus. Unterbewusst nahm er wahr, dass der Kanadier es ihm gleichtat. Das MG ratterte und spuckte und schwenkte auf sie ein.
Sie warfen gleichzeitig.
Beide Granaten fielen unweit der MG -Stellung in den Graben. Dann krachte es zweimal dicht nacheinander. Billy sah, wie der Lauf des Maschinengewehrs durch die Luft wirbelte, und jubelte triumphierend. Er hob den Arm, brüllte: »Attacke!«, und stürmte den Hang hinauf.
Ein berauschendes Hochgefühl erfüllte ihn wie eine Droge. Er war sich kaum noch darüber im Klaren, dass er in Gefahr schwebte, und hatte keine Vorstellung, wie viele Deutsche im Graben in diesem Moment das Gewehr auf ihn anlegten. Seine Leute folgten ihm. Mortimer warf seine Handgranaten, und die anderen taten es ihm nach. Zwei oder drei Mills-Bomben verfehlten den Graben, die anderen aber landeten darin und krepierten.
Billy erreichte die Schulterwehr. Dort erst wurde ihm bewusst, dass er sich zum Werfen das Gewehr übergehängt hatte. Bis er schussbereit war, konnte ein Deutscher ihn beliebig abknallen.
Doch im Graben lebte kein Deutscher mehr.
Die Handgranaten hatten entsetzlich gewütet. Auf dem Boden lagen Leichen und Leichenteile. Falls es Überlebende gab, hatten sie sich zurückgezogen. Billy sprang in den Graben und nahm das Gewehr in beide Hände. Aber er brauchte die Waffe nicht. Er sah niemanden, auf den er schießen konnte.
Tommy sprang neben ihm auf die schlammige Erde. »Wir haben es geschafft!«, rief er. »Wir haben einen deutschen Graben eingenommen!«
In Billy stieg wilde Freude auf. Der Feind hatte versucht, ihn zu töten, stattdessen hatte er den Feind getötet. Dieses Gefühl verlieh ihm eine tiefe Befriedigung. »Ja«, sagte er. »Wir
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