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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Gewehr ab, und Grigori duckte sich. Sofort schoss auch Kirilow auf den vermeintlichen Feind und zog sich dann auf dem gleichen Weg zurück, den er gekommen war.
    Isaak lachte leise. »Das klappt jedes Mal.«
    Grigori war sich da nicht so sicher. Kirilow hatte verärgert dreingeschaut, als hätte er gewusst, dass man ihn täuschte; nur konnte er sich noch nicht so recht entscheiden, was er dagegen unternehmen sollte.
    Grigori lauschte auf den Gefechtslärm weiter vorne. Er schätzte, dass der Kampf gut eine Meile entfernt stattfand und sich nicht verlagerte.
    Die Sonne stieg höher und trocknete die nassen Uniformen. Allmählich bekam Grigori Hunger, und so kaute er auf einem Hartkeks aus seinem Proviantbeutel, sorgfältig darauf bedacht, die wunde Stelle zu meiden, wo Azows Faust ihn getroffen hatte.
    Dann sah Grigori deutsche Flugzeuge tief über das Gelände weiter vorne fliegen. Dem Geräusch nach zu urteilen, beharkten sie mit ihren Maschinengewehren die Truppen am Boden. Die auf den viel zu schmalen, verschlammten Pfaden zusammengedrängten Garderegimenter mussten ein leichtes Ziel abgeben. Wahrscheinlich spielt sich dort ein grauenhaftes Gemetzel ab. Grigori war doppelt froh, dass er und seine Männer nicht in dieser Hölle waren.
    Zur Mitte des Nachmittags schien der Kampflärm näher zu kommen. Die Russen wurden zurückgedrängt. Grigori machte sich bereit, seinen Männern zu befehlen, sich dem Rückzug anzuschließen – aber noch war es nicht so weit. Er wollte keinen Verdacht erregen. Sich langsam zurückzuziehen war fast genauso wichtig wie ein langsames Vorrücken.
    Links und rechts sah Grigori mehrere einzelne Männer, die durch den Sumpf in Richtung Fluss wateten; einige waren offensichtlich verwundet. Der Rückzug hatte begonnen, aber noch waren die russischen Truppen nicht in wilder Flucht.
    Plötzlich hörte Grigori ein Wiehern. Ein Reiter! Also war ein Offizier in der Nähe. Sofort eröffnete Grigori das Feuer auf die vorgeblichen Österreicher. Seine Männer folgten seinem Beispiel. Nach mehreren Salven schaute Grigori sich um und sah Major Azow auf seinem großen grauen Pferd durch den Schlamm traben. Azow stauchte eine Gruppe zurückweichender Soldaten an und befahl ihnen, ins Gefecht zurückzukehren. Sie stritten mit dem Major, bis dieser seine Pistole zog und auf die Männer richtete, woraufhin sie widerwillig kehrtmachten.
    Azow steckte die Waffe weg und kam im Schritt zu Grigori geritten. »Was macht ihr Esel denn hier?«, wollte er wissen.
    Grigori blieb auf dem Boden liegen, rollte sich auf die Seite und schob mit gespielter Eile sein letztes Magazin ins Gewehr. »Feindstellung, Euer Gnaden. Da vorne in dem Wäldchen«, sagte er. »Sie sollten lieber vom Pferd steigen. Die können Sie sehen.«
    Azow blieb im Sattel. »Und was macht ihr? Versteckt ihr euch vor ihnen?«
    »Seine Gnaden Leutnant Kirilow hat uns befohlen, die Feinde auszuschalten. Ich habe eine Gruppe losgeschickt, um sie von den Flanken anzugreifen, während wir unseren Leuten Feuerschutz geben.«
    Azow stutzte. »Und warum schießt der Feind nicht zurück?«
    »Wir haben ihn festgenagelt.«
    Der Major schüttelte den Kopf. »Er hat sich zurückgezogen … falls er überhaupt je dagewesen ist.«
    »Der Feind ist noch da drüben, Euer Gnaden. Noch vor einem Augenblick hat er uns mit schwerem Feuer eingedeckt.«
    »Da ist niemand!« Azow hob die Stimme. »Feuer einstellen! Ihr da! Stellt das Feuer ein!«
    Grigoris Männer gehorchten und schauten zum Major.
    »Auf mein Zeichen greift ihr an!«, befahl er und zog seine Pistole.
    Grigori wusste nicht, was er tun sollte. Die Schlacht war offensichtlich katastrophal verlaufen, und nachdem es ihm gelungen war, sich den ganzen Tag aus dem Gemetzel herauszuhalten, wollte er jetzt, da alles vorbei war, nicht mehr das Leben seiner Männer riskieren. Aber sich offen einem Offizier zu widersetzen war gefährlich.
    In diesem Augenblick brach eine Gruppe Soldaten aus dem Wäldchen hervor, von dem Grigori behauptet hatte, dass sich dort eine feindliche Stellung befände. Grigori starrte die Soldaten fassungslos an. Allerdings waren sie keine Österreicher, wie er an den Uniformen auf den ersten Blick erkannte: Es waren Russen auf dem Rückzug.
    Azow versteifte sich im Sattel. »Diese feigen Deserteure!«, kreischte er. »Macht sie nieder!« Er feuerte mit der Pistole auf die sich nähernden Russen.
    Grigoris Männer war ratlos. Offiziere drohten oft damit, Soldaten zu erschießen, die

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