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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Mund bildete ein O der Überraschung. Sie trat einen Schritt zurück und stieß gegen einen Stuhl, auf dem eine Frau saß, die mit verärgerter Miene zu ihr hinaufblickte. »Entschuldigung«, sagte Ethel leise, ohne die Frau anzuschauen.
    Fitz erhob sich von seinem Stuhl, was ihm mit seinem verletzten Bein nicht leichtfiel, und sah Ethel dabei unverwandt an. Sie wirkte unschlüssig, war sich offenbar unsicher, ob sie zu ihm gehen oder in die Sicherheit ihres Büros fliehen sollte. »Wie schön, dich zu sehen, Ethel«, sagte Fitz. Seine Worte drangen nicht durch den lauten Saal bis zu ihr, aber sie sah wahrscheinlich, wie seine Lippen sich bewegten, und erriet, was er sagte.
    Dann gab sie sich einen Ruck und kam auf ihn zu.
    »Guten Tag, Lord Fitzherbert«, sagte sie förmlich, und ihr melodischer walisischer Akzent ließ die alltägliche Wendung klingen wie ein Lied. Sie reichte ihm die Hand. Ihre Haut fühlte sich rau an.
    Fitz schloss sich ihr auf dem Rückzug in die Förmlichkeit an. »Wie geht es Ihnen, Mrs. Williams?«
    Ethel zog sich einen Stuhl heran und nahm Platz. Als auch Fitz sich wieder setzte, wurde ihm klar, dass sie sich geschickt auf eine Stufe mit ihm gestellt hatte, ohne Nähe herzustellen.
    »Ich habe Sie beim Gottesdienst im Park von Aberowen gesehen«, sagte sie. »Es hat mir sehr leidgetan …« Ihre Stimme schwankte. Sie senkte den Blick und setzte neu an. »Es hat mir leidgetan zu sehen, dass Sie verwundet sind. Ich hoffe, Ihre Genesung macht Fortschritte.«
    »Langsam, aber sicher.« Er spürte, dass ihre Anteilnahme aufrichtig war. Trotz allem, was er ihr angetan hatte, schien sie ihn nicht zu hassen.
    »Wie haben Sie sich die Verletzungen zugezogen?«
    Fitz hatte die Geschichte schon so oft erzählt, dass sie ihn langweilte. »Es war am ersten Tag an der Somme. Wir gingen über die Schulterwehr, durchquerten unseren Stacheldrahtverhau und drangen ins Niemandsland vor. Dann weiß ich nur noch, dass ich mit teuflischen Schmerzen auf der Trage lag.«
    »Mein Bruder hat gesehen, wie Sie angeschossen wurden.«
    Fitz erinnerte sich an den aufsässigen Corporal William Williams. »Tatsächlich? Was ist aus ihm geworden?«
    »Seine Gruppe hat einen deutschen Graben erobert, musste ihn aber wieder aufgeben, als ihnen die Munition ausging.«
    »Wurde er ausgezeichnet?«
    »Nein. Der Colonel sagte, er hätte den Graben bis zum letzten Mann verteidigen müssen. Billy erwiderte: ›So, wie Sie es getan haben?‹, und wurde angeklagt.«
    Fitz war nicht überrascht. Williams bedeutete Ärger. »Und was tun Sie hier?«
    »Ich arbeite mit Ihrer Schwester zusammen.«
    »Davon hat sie mir gar nichts erzählt.«
    Ethel blickte ihn fest an. »Sie glaubt wohl nicht, dass Neuigkeiten über frühere Dienstboten Sie interessieren.«
    Fitz wusste, dass es eine Spitze war, aber er überging sie. »Und was arbeiten Sie?«
    »Ich bin geschäftsführende Redakteurin des Soldier’s Wife . Ich sorge für den Druck und die Auslieferung und erledige die Redaktion der Leserbriefseite. Und ich kümmere mich um die finanziellen Dinge.«
    Fitz war beeindruckt. Für eine ehemalige Haushälterin war das ein gewaltiger Schritt nach oben. »Mit ›finanzielle Dinge‹ meinen Sie wahrscheinlich mein Geld?«
    »Nein, bestimmt nicht. Maud ist da sehr genau. Sie weiß, dass es Ihnen nichts ausmacht, für Tee und Kuchen zu bezahlen und für die ärztliche Behandlung von Soldatenkindern, aber sie würde von Ihrem Geld niemals Aufklärungsschriften gegen den Krieg finanzieren.«
    Fitz genoss es, Ethels Gesicht beim Reden zu beobachten, und hielt das Gespräch in Gang. »Ihre Zeitung beschäftigt sich mit Propaganda gegen den Krieg?«
    »Wir diskutieren öffentlich, wovon Sie nur im Geheimen sprechen: von der Möglichkeit eines Friedens.«
    Sie hatte recht. Fitz wusste, dass führende Politiker der beiden großen Parteien von Frieden sprachen, und das ärgerte ihn. Doch er wollte keinen Streit mit Ethel. »Ihr Held, Lloyd George, ist der Ansicht, wir sollten härter kämpfen.«
    »Wird er Premierminister? Was meinen Sie?«
    »Der König will ihn nicht. Aber er ist der vielleicht Einzige, der das Parlament einen kann.«
    »Ich befürchte eher, dass er den Krieg in die Länge zieht.«
    Maud kam aus ihrem Büro, und Fitz sah, dass die Teeparty sich allmählich auflöste. Die Frauen spülten das Geschirr und trieben ihre Kinder zusammen. Zu seinem Erstaunen sah er Tante Herm einen Stapel schmutziger Teller tragen. Wie der Krieg die Menschen

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