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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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zusammenwohnte – Bea, Maud und Tante Herm –, nahmen gerade zum Mittagessen Platz. Fitz reichte Grout, dem Butler, seinen Gehstock und die Uniformmütze und gesellte sich zu den Ladys. Nach der nüchternen Zweckmäßigkeit seines Büros erfreute er sich an seinem Zuhause: den prächtigen Möbeln, der leisen, diskreten Dienerschaft, dem französischen Porzellangeschirr auf der schneeweißen Tischdecke.
    Er fragte Maud nach den Neuigkeiten aus der Politik. Zwischen Asquith und Lloyd George tobte die Schlacht. Gestern war Asquith mit dramatischem Getöse als Premierminister zurückgetreten. Fitz machte sich Sorgen: Er war zwar kein Bewunderer des Liberalen Asquith, aber was, wenn der neue Mann durch oberflächliches Gerede über Frieden verführt wurde?
    »Der König hat Bonar Law empfangen«, sagte Maud. Andrew Bonar Law war Parteivorsitzender der Konservativen. Das letzte Überbleibsel königlicher Macht in der britischen Politik war das Recht des Monarchen, einen Premierminister zu ernennen; allerdings musste sein Kandidat die Unterstützung des Parlaments gewinnen.
    »Was ist geschehen?«, fragte Fitz.
    »Bonar Law hat das Amt des Premierministers abgelehnt.«
    Fitz warf den Kopf in den Nacken. »Wie konnte er den König zurückweisen?« Er war der Meinung, ein Mann sollte seinem König gehorchen, erst recht ein Konservativer.
    »Bonar Law hält Lloyd George für den richtigen Mann im Amt des Premierministers. Aber den will der König nicht.«
    »Das will ich auch nicht hoffen«, warf Bea ein. »Lloyd George ist kaum besser als ein Sozialist.«
    »Das ist wahr«, sagte Fitz. »Aber er hat mehr Mumm in den Knochen als der ganze Rest der Bande zusammen. Er würde wenigstens ein bisschen Schwung in die Kriegsanstrengungen bringen.«
    »Ich fürchte nur«, sagte Maud, »er würde die Gelegenheit zu einem Friedensschluss nicht nützen.«
    »Frieden?«, erwiderte Fitz. »Ich glaube nicht, dass man sich im Moment Gedanken darüber machen muss.« Er versuchte, nicht hitzig zu klingen, aber defätistisches Gerede über Frieden ließ ihn stets an die Soldaten denken, die gefallen waren: die jungen Lieutenants Morgan und Carlton-Smith, die vielen Aberowen Pals, sogar der jämmerliche Owen Bevins, der vor dem Exekutionskommando gestorben war. Sollte ihr Opfer vergebens gewesen sein? Allein der Gedanke erschien ihm blasphemisch. Er zwang sich zu einem beiläufigen Tonfall, als er entgegnete: »Es kann erst Frieden geben, nachdem die eine oder andere Seite gesiegt hat.«
    In Mauds Augen loderte Zorn auf, doch sie zügelte sich. »Vielleicht bekommen wir von beidem das Beste: energische Führung des Krieges durch einen Kriegsrat mit Lloyd George als Vorsitzendem und einen staatsmännischen Premierminister wie Arthur Balfour, der einen Frieden aushandelt, falls wir ihn wünschen.«
    »Hm.« Fitz gefiel die Idee nicht, doch Maud verstand es, Dinge so auszudrücken, dass man ihr nur schwer widersprechen konnte. »Was habt ihr heute Nachmittag vor?«, wechselte er das Thema.
    »Tante Herm und ich fahren ins Eastend. Wir halten eine Veranstaltung für Soldatenfrauen ab, servieren ihnen Tee und Gebäck – von dir bezahlt, Fitz, danke sehr! – und versuchen, ihnen bei der Lösung ihrer schlimmsten Probleme zu helfen.«
    »Die da wären?«
    Tante Herm antwortete. »Meist geht es darum, eine saubere Wohnung zu bekommen und eine verlässliche Aufsichtsperson für die Kinder zu finden.«
    Fitz war belustigt. »Du überraschst mich, Tantchen. Früher hast du Mauds Abenteuer im Eastend missbilligt.«
    »Es ist Krieg«, erwiderte Lady Hermia. »Wir alle müssen helfen, wo wir nur können.«
    Aus einem Impuls heraus sagte Fitz: »Vielleicht sollte ich euch begleiten. Es würde den Frauen guttun, wenn sie sehen, dass ein Earl genauso leicht von einer Kugel getroffen werden kann wie ein Schauermann.«
    Maud musterte ihn verdutzt. »Sicher, gern, wenn du möchtest.«
    Fitz bemerkte, dass sie wenig begeistert war. Ohne Zweifel wurde in ihrem Club über linksgerichteten Unsinn debattiert – Frauenwahlrecht und ähnlicher Quatsch. Doch fernhalten konnte sie ihn nicht; schließlich zahlte er für alles.
    Nach dem Mittagessen machten sie sich fertig. Fitz ging in den Ankleideraum seiner Frau. Beas frühzeitig ergraute Zofe Nina half ihr aus dem Kleid, das sie zum Mittagessen getragen hatte. Bea murmelte etwas auf Russisch, und Nina antwortete in derselben Sprache, was Fitz ärgerte, weil es dazu angetan schien, ihn absichtlich von der Unterhaltung

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