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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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wenig Hilfe seitens der revolutionären Arbeiterklasse bräuchte. Die beiden Jungen stritten oft darüber, was ihrer Freundschaft jedoch keinen Abbruch tat.
    »Sieht dir gar nicht ähnlich, am Sonntag einzufahren«, sagte Tommy.
    Er hatte recht. Die Grube machte Sonderschichten, um die gestiegene Nachfrage nach Kohle zu befriedigen, aber aus Respekt vor dem Glauben betonte Celtic Minerals, die Sonntagsschichten seien freiwillig. Obwohl Billy das Gebot, am Sonntag zu ruhen, normalerweise achtete, schuftete er heute unter Tage. »Ich glaube, der Herr möchte, dass ich ein Fahrrad bekomme«, sagte er.
    Tommy lachte, doch Billy hatte es gar nicht als Scherz gemeint. Die Bethesda-Kapelle hatte in einem kleinen Dorf zehn Meilen entfernt eine Schwesterkirche eröffnet, und Billy gehörte zu jenen Gemeindemitgliedern aus Aberowen, die sich bereit erklärt hatten, jeden zweiten Sonntag den Berg zu überqueren und sich um die Pflege der neuen Gemeinde zu kümmern. Hätte er ein Fahrrad, könnte er auch unter der Woche abends dorthin und eine Bibelstunde halten oder einen Gebetskreis ins Leben rufen. Er hatte seinen Plan mit den Ältesten besprochen; sie hatten zugestimmt und erklärt, der Herr würde seinen Segen geben, wenn Billy ein paar Wochen lang auch am Sabbat einfuhr, um sich das Fahrrad anschaffen zu können.
    Billy wollte es Tommy gerade erklären, als unter ihnen der Boden erbebte. Dann gab es einen Knall, als wäre das Ende der Welt gekommen, und ein schrecklicher Luftstoß riss Billy die Flasche aus der Hand.
    Ihm stockte das Herz, als er daran dachte, dass sie sich eine halbe Meile unter Tage befanden und die Millionen Tonnen Erde und Stein über ihren Köpfen nur auf ein paar hölzernen Stempeln ruhten.
    »Was war das, Teufel noch mal?«, fragte Tommy ängstlich.
    Billy sprang auf, zitternd vor Furcht. Er hob seine Grubenlampe und spähte in beide Richtungen in die Strecke. Er sah keine Flammen, keinen fallenden Berg, nicht einmal mehr Staub als üblich. Als der Nachhall verebbt war, hörte er keinen Laut.
    »Das war ’ne Schlagwetterexplosion«, sagte er mit bebender Stimme. Ein solches Unglück war der Albtraum aller Bergleute. Die plötzliche Freisetzung von Grubengas konnte durch herabstürzendes Gestein verursacht werden oder durch einen Hauer, der im Flöz eingeschlossenes Methan losschlug. Bemerkte niemand die Warnzeichen oder bildete das explosive Gemisch sich zu schnell, konnte es durch einen einzigen Funken gezündet werden, den der Huf eines Grubenponys schlug oder der an der elektrischen Glocke des Korbes entstand oder den ein verantwortungsloser Kumpel verursachte, der sich entgegen der Vorschriften eine Pfeife ansteckte.
    Tommy fragte: »Aber wo?«
    »Muss auf der Hauptsohle passiert sein, deshalb sind wir verschont geblieben.«
    »Herr Jesus, hilf uns!«
    »Das tut er«, sagte Billy, dessen Entsetzen bereits verebbte. »Vor allem, wenn wir uns selbst helfen.« Von den beiden Hauern, für die die Jungen geschaufelt hatten, war nichts zu sehen; sie hatten ihre Pause im Goodwood verbringen wollen. Billy und Tommy mussten ihre Entscheidungen allein treffen.
    »Los, komm, zum Förderort!«, drängte Billy.
    Sie zogen ihre Kleidung über, hakten sich die Lampen an die Gürtel und rannten zum Pyramus. Der Anschläger am Förderort, der für den Korb verantwortlich zeichnete, war Dai Chops. Soeben rief er voller Entsetzen: »Der Korb kommt nicht! Ich klingel und klingel, aber er tut einfach nicht kommen!«
    Die Angst des Mannes war ansteckend, und Billy musste seine wieder aufflammende Panik niederkämpfen. »Was ist mit dem Telefon?«, fragte er. Der Anschläger verständigte sich mit dem Einweiser über Tage vermittels der Signale einer elektrischen Klingel, aber jüngst hatte man Fernsprechgeräte installiert, mit denen man die Amtsstube von Maldwyn Morgan, dem Bergwerksdirektor, erreichte.
    »Keine Antwort«, sagte Dai.
    »Lass mich mal versuchen.« Das Grubentelefon war neben dem Schacht an der Wand befestigt. Billy nahm den Hörer ab und drehte die Kurbel. »Komm schon, komm schon!«
    Eine zittrige Stimme antwortete. »Ja?« Sie gehörte Arthur Llewellyn, dem Schreiber des Bergwerksdirektors.
    »Spotty, hier ist Billy Williams«, rief Billy in den Sprechtrichter. »Wo steckt Mr. Morgan?«
    »Nicht da. Was war das für ’n Knall?«
    »Eine Schlagwetterexplosion, du Blödmann. Wo ist der Boss?«
    »Er ist nach Merthyr gefahren«, antwortete Spotty in klagendem Tonfall.
    »Was macht er denn da? Na,

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