Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
einem Dach verstecken. Doch auf den Dächern in der Nähe gab es keine Deckung … außer auf dem Dach der Kirche, einem barocken Gebäude mit Türmchen, Brüstungen und einer Zwiebelkuppel.
    Wieder krachte ein Schuss. Eine Frau in Arbeiterkleidung schrie auf, griff sich an die Schulter und stürzte zu Boden. Grigori war sicher, dass der Schuss von der Kirche gekommen war, aber er hatte kein Mündungsfeuer gesehen.
    Wie auch immer – das hier war Krieg.
    In der näheren Umgebung war der Newski-Prospekt wie leer gefegt.
    Grigori zielte mit seinem Gewehr auf die Dachbrüstung. Wäre er an der Stelle des unsichtbaren Schützen gewesen, hätte er sich da oben verschanzt, da man von dort die gesamte Straße im Blick hatte. Wachsam hielt Grigori nach irgendetwas Ausschau, das ihm die Position des Schützen verraten konnte. Aus dem Augenwinkel sah er zwei weitere Gewehre, die in die gleiche Richtung zielten wie er. Sie gehörten Soldaten, die in der Nähe Deckung gesucht hatten.
    Ein Sergeant und ein Mädchen wankten betrunken über die Straße. Das Mädchen tanzte und hob ihr Kleid, um ihre Knie zu entblößen, während ihr Freund sich um sie drehte. Dabei hielt er sich den Gewehrkolben an den Hals wie eine Violine. Beide trugen rote Armbänder. Mehrere Leute riefen ihnen Warnungen zu, doch die beiden schienen sie nicht zu hören. Als sie an der Kirche vorbeikamen, krachten zwei Schüsse, und der Soldat und das Mädchen wurden zu Boden geschleudert.
    Wieder sah Grigori kein Mündungsfeuer; dennoch feuerte er wütend auf die Brüstung, bis sein Magazin leer war. Der Heckenschütze musste auf dem Bauch liegen, ein Stück vom Dachrand entfernt, sodass der Lauf nicht darüber hinausragte.
    Dieser hinterhältige Bastard musste aufgehalten werden. Er hatte bereits Warja, Jakow, zwei Soldaten und ein unschuldiges Mädchen ermordet.
    Es gab nur eine Möglichkeit, an den Schützen heranzukommen: Grigori musste aufs Dach.
    Er lud nach und feuerte wieder auf die Brüstung. Wie erwartet taten die beiden anderen Soldaten es ihm gleich. In der Hoffnung, dass der Heckenschütze sich unter dem Beschuss geduckt hatte, sprang Grigori auf, stürmte aus seiner Deckung hervor und rannte auf die andere Straßenseite, wo er sich an das Schaufenster einer Buchhandlung drückte – eines der wenigen Geschäfte, die nicht geplündert worden waren.
    Grigori hielt sich in den Nachmittagsschatten der Gebäude, als er die Straße entlang zur Kirche huschte. Eine Gasse trennte das Gotteshaus von der Bank nebenan. Geduldig wartete Grigori ein paar Minuten, bis das Schießen erneut einsetzte; dann rannte er über die Gasse und drückte sich mit dem Rücken an die Ostwand der Kirche.
    Hatte der Heckenschütze ihn laufen sehen? Ahnte er, was Grigori vorhatte? Er wusste es nicht.
    Er hielt sich weiterhin dicht an der Wand, bog um die Ecke der Kirche und gelangte an eine kleine Tür. Sie war unverschlossen, da heute Sonntag war und die Kirchen geöffnet hatten. Grigori schlüpfte ins Innere.
    Es war eine prachtvolle Kirche, reich geschmückt mit rotem, grünem und gelbem Marmor. Im Augenblick fand kein Gottesdienst statt, aber ungefähr zwanzig, dreißig Gläubige beteten mit gesenkten Köpfen. Grigori schaute sich um und suchte nach einer Tür, die zu einer Treppe führte. Nichts zu sehen. Er rannte durch das Kircheninnere. Wenn er sich nicht beeilte, würden noch mehr Unschuldige sterben.
    Ein junger Pope mit prachtvollem schwarzem Haar und makelloser weißer Haut sah Grigoris Gewehr und öffnete den Mund, um zu protestieren, doch Grigori beachtete ihn gar nicht und lief weiter.
    Im Vorraum entdeckte er endlich eine kleine Holztür. Grigori öffnete sie und sah eine Wendeltreppe, die nach oben führte. Hinter ihm sagte eine Stimme: »Bleib stehen, mein Sohn. Was tust du da?«
    Grigori drehte sich um und sah den jungen Popen. »Führt diese Treppe zum Dach?«
    »Ich bin Vater Michail. Du darfst keine Waffen in das Haus Gottes bringen.«
    »Auf dem Dach ist ein Heckenschütze.«
    »Er ist Polizeibeamter.«
    »Sie wissen von ihm?« Grigori starrte den Popen ungläubig an. »Ist Ihnen klar, dass er Menschen tötet?«
    Der Pope antwortete nicht.
    Grigori rannte die Treppe hinauf.
    Ein kalter Wind wehte von oben herunter. Vater Michail stand offenbar auf der Seite der Polizei. Ob der Pope den Schützen warnen konnte? Wohl kaum – es sei denn, er rannte winkend auf die Straße, was ihn vermutlich das Leben koste würde.
    Nach einem langen Aufstieg in einem

Weitere Kostenlose Bücher