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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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mit einem Arrangement aus getrockneten Gräsern und schleuderte sie mit aller Kraft gegen die Wand. Sie zerbarst mit lautem Knall.
    Maud klopfte Bea auf die Schulter. »Ist ja gut«, sagte sie. Sie wusste nicht, was sie sonst sagen oder tun sollte. Es freute sie, dass der Zar gestürzt worden war; zugleich tat Bea ihr leid, für die eine Welt zusammenbrach.
    Grout winkte mit dem Finger, und ein ängstlich dreinblickendes Stubenmädchen kam ins Zimmer. Der Butler deutete auf die zerbrochene Vase, und es machte sich daran, die Scherben zusammenzufegen.
    Der Tisch war zum Tee gedeckt worden: Tassen, Teller, Teekannen, Milch- und Sahnekrüge, Zuckerschüsseln. Mit einer einzigen, weit ausholenden Armbewegung schleuderte Bea alles zu Boden. »Diese Revolutionäre werden alle umbringen!«
    Der Butler kniete sich hin und begann die Bescherung zu beseitigen.
    »Reg dich doch nicht so auf«, sagte Maud.
    Bea brach in Tränen aus. »Die arme Zariza! Und ihre Kinder! Was wird nun aus ihnen?«
    »Du solltest dich ein bisschen hinlegen«, schlug Maud vor. »Komm, ich bringe dich in dein Zimmer.« Sie nahm Beas Ellbogen, und sie ließ sich wegführen.
    »Das ist das Ende«, schluchzte Bea, »das Ende von allem.«
    »Aber, aber«, sagte Maud. »Vielleicht ist es ja ein Neuanfang.«

    Ethel und Bernie verbrachten ihre Flitterwochen in Aberowen. Ethel genoss es, Bernie die Schauplätze ihrer Kindheit zu zeigen: die Grube, die Kapelle, die Schule. Sie führte ihn sogar durch Ty Gwyn – Fitz und Bea waren nicht da –, allerdings nicht in die Gardeniensuite.
    Sie wohnten bei den Griffiths, die Ethel wieder Tommys Zimmer angeboten hatten. Beide hielten sich in Mrs. Griffiths Küche auf, als deren Mann Len, der Atheist und revolutionäre Sozialist, hereinstürmte und mit einer Zeitung wedelte. »Der Zar hat abgedankt!«, rief er.
    Alle jubelten und klatschten. Schon seit einer Woche hatten sie immer wieder von Unruhen in Petrograd gehört, und Ethel hatte sich bereits gefragt, wie das wohl enden würde.
    »Wer hat die Macht übernommen?«, fragte Bernie.
    »Eine Provisorische Regierung unter Fürst Lwow«, antwortete Len.
    »Dann ist es also nicht gerade ein Triumph für den Sozialismus«, bemerkte Bernie säuerlich.
    »Nein.«
    Ethel sagte: »Kopf hoch, Männer. Eins nach dem anderen. Lasst uns ins Two Crowns gehen und feiern. Ich werde Lloyd so lange bei Mrs. Ponti lassen.«
    Die Frauen setzten ihre Hüte auf, und alle gingen in den Pub. Binnen einer Stunde war der Schankraum zum Bersten voll. Ethel staunte, als sie Dah und Mam in die Kneipe kommen sah. Mrs. Griffith entdeckte die beiden ebenfalls. »Was, zum Teufel, machen die denn hier?«, sagte sie.
    Ein paar Minuten später kletterte Ethels Vater auf einen Stuhl und verlangte Ruhe. »Ich weiß, dass einige von euch überrascht sind, mich hier zu sehen, aber besondere Ereignisse verlangen nach besonderen Maßnahmen.« Er hob ein Pintglas. »Ich habe meine lebenslangen Gewohnheiten nicht geändert, aber der Wirt war so nett, mir ein Glas Leitungswasser zu geben.« Alle lachten. »Ich bin hier, um mit meinen Nachbarn den Triumph in Russland zu feiern.« Er hob das Glas. »Auf die Revolution!«
    Alle jubelten und tranken.
    »Sieh einer an«, sagte Ethel. »Mein Dah im Two Crowns … Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal erlebe.«

    In Joseph Vyalovs ultramodernem Prärie-Haus in Buffalo schenkte sich Lew Peschkow einen Drink aus dem Cocktailkabinett ein. Wodka trank er nicht mehr. Seit er bei seinem reichen Schwiegervater lebte, hatte er Geschmack an teurem Whisky gefunden. Es gefiel ihm, wie die Amerikaner ihn tranken, mit Eiswürfeln.
    Was Lew weniger gefiel, war der Umstand, dass er bei seinen Schwiegereltern wohnte. Es wäre ihm lieber gewesen, er und Olga hätten ein eigenes Haus gehabt. Aber Olga mochte es so, wie es war, und ihr Vater bezahlte alles. Solange Lew kein eigenes Vermögen hatte, saß er hier fest.
    Joseph las die Zeitung, und Lena nähte. Lew hob das Glas in ihre Richtung. »Lang lebe die Revolution!«, sagte er ausgelassen.
    »Pass auf, was du sagst«, ermahnte ihn Joseph. »Das ist schlecht fürs Geschäft.«
    Olga kam herein. »Gib mir bitte ein Glas Sherry, Liebling«, sagte sie.
    Lew unterdrückte ein Stöhnen. Olga liebte es, ihn um kleine Gefälligkeiten zu bitten, und vor ihren Eltern konnte er nicht Nein sagen. Er goss süßen Sherry in ein kleines Glas und reichte es Olga, wobei er sich wie ein Kellner verneigte. Sie lächelte ihm dankbar zu; die

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