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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Neunzehnjähriger, antwortete: »Wenn ich ein bisschen näher rankäme, Sir.«
    »Da liegt das Problem.«
    Kerry studierte das Gelände. »Am Rand der Wiese ist diese niedrige Mauer«, sagte er. »Von dort ginge es, da hätte ich Deckung.«
    »Riskant ist es trotzdem«, erwiderte Gus. »Wollen Sie ein Held werden?« Er blickte auf die Uhr. »Wenn die Gerüchte stimmen, könnte der Krieg in fünf Minuten vorbei sein.«
    Kerry grinste. »Ich probier’s, Captain.«
    Gus zögerte. Es widerstrebte ihm, Kerry jetzt noch zu erlauben, sein Leben aufs Spiel zu setzen. Aber sie waren in der Army, sie kämpften noch, Befehl war Befehl, und wieder schrie ein Getroffener auf. »Also gut«, sagte Gus. »Lassen Sie sich Zeit.«
    Im Stillen hoffte er, Kerry würde es hinauszögern, doch der junge Mann hängte sich augenblicklich das Gewehr über und nahm eine Kiste Granaten.
    Gus rief: »Feuer frei! Geben wir Kerry Feuerschutz, so viel wir können!«
    Sämtliche MG s ratterten los, und Kerry begann zu rennen.
    Der Feind entdeckte ihn sofort, und seine Maschinengewehre schwenkten auf ihn ein. Die Amerikaner verstärkten ihr Feuer, und der deutsche Beschuss ließ nach. Im Zickzack lief Kerry über die Wiese, rannte wie ein Hase, den Hunde jagen. Deutsche Werfergranaten schlugen rings um ihn ein, verfehlten ihn aber wie durch ein Wunder.
    Die niedrige Mauer war fünfzig Yards entfernt.
    Kerry hätte es beinahe geschafft.
    Der feindliche MG -Schütze bekam ihn perfekt ins Visier und gab einen langen Feuerstoß ab. Binnen eines Herzschlags wurde Kerry von einem Dutzend Kugeln getroffen. Er warf die Arme hoch, ließ die Granatenkiste fallen und ging in die Knie. Durch seinen Schwung stürzte er nach vorn und landete ein paar Schritte von der Mauer entfernt. Er lag vollkommen regungslos da. Gus vermutete, dass er schon tot gewesen war, ehe er auf dem Boden aufschlug.
    Die feindlichen MG s stellten das Feuer ein. Nach wenigen Augenblicken hörten auch die Amerikaner zu schießen auf. Gus glaubte, aus der Entfernung leises Jubeln zu hören. Die Männer in seiner Nähe wurden still und lauschten. Gus erkannte, dass auch die Deutschen jubelten.
    In dem fernen Dorf traten deutsche Soldaten aus ihren Deckungen.
    Gus hörte das Knattern eines Motorrads. Eine amerikanische »Indian« kam aus dem Wald, gelenkt von einem Sergeant, während im Beiwagen ein Major saß. »Waffenstillstand!«, rief der Major. Der Motorradfahrer fuhr ihn die Front entlang von einer Stellung zur nächsten. »Waffenstillstand!«, rief der Major wieder. »Feuer einstellen!«
    Gus’ Kompanie begann zu jubeln. Die Männer nahmen die Helme ab und warfen sie in die Luft. Einige tanzten auf der Stelle, andere schüttelten einander die Hände. Jemand stimmte ein Lied an.
    Gus konnte den Blick nicht von Corporal Kerry wenden.
    Langsam ging er über die Wiese und kniete sich neben den jungen Mann. Er hatte viele Leichen gesehen und bezweifelte nicht, dass Kerry tot war. Er fragte sich, wie Kerry mit Vornamen geheißen hatte. Er rollte die Leiche herum. Kerrys Brust war von Einschusslöchern durchsiebt. Gus schloss dem Jungen die Lider und stand auf.
    »Gott, vergib mir«, sagte er.

    Zufällig waren Ethel und Bernie an diesem Tag beide zu Hause. Bernie lag mit Grippe im Bett, und Lloyds Kindermädchen war ebenfalls erkrankt, sodass Ethel sich um ihren Mann und ihren Sohn kümmerte.
    Ethel war zutiefst niedergeschlagen. Sie und Bernie waren sich schrecklich in die Haare geraten, wer von ihnen denn nun kandidieren sollte. Es war nicht nur der schlimmste Streit ihrer Ehe gewesen, es war zugleich der einzige. Seitdem hatten sie kaum ein Wort miteinander gesprochen.
    Ethel wusste, dass sie im Recht war; dennoch fühlte sie sich schuldig. Vielleicht wäre sie eine bessere Abgeordnete als Bernie, und überhaupt: Ihre Genossen würden die Wahl treffen, nicht sie selbst. Bernie arbeitete seit Jahren auf seine Kandidatur hin, doch das bedeutete nicht, dass er einen Anspruch darauf hatte. Auch wenn Ethel der Gedanke nie zuvor gekommen war, nun wünschte sie sich sehr zu kandidieren. Die Frauen hatten sich das Wahlrecht erstritten, aber es gab noch mehr zu tun. Als Erstes mussten die Altersgrenzen von Frauen und Männern angeglichen werden. Außerdem waren dringend Verbesserungen nötig, was die Arbeitsbedingungen für Frauen anging. Immer noch wurde Frauen für die gleiche Arbeit weniger gezahlt als Männern. Warum sollten sie nicht gleichen Lohn erhalten?
    Doch Ethel mochte Bernie, und als

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