Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
die Hände und blickten einander in die Augen statt in die Kamera.
    Die Abzüge würden am nächsten Tag fertig sein, versprach der Fotograf.
    Sie gingen zum Essen in ihren Gasthof. »Die Alliierten können Deutschland nicht einfach befehlen, den Vertrag zu unterzeichnen«, sagte Maud. »Das ist doch keine Verhandlung.«
    »Genau das haben sie aber getan.«
    »Und was geschieht, wenn ihr euch weigert?«
    »Das sagen sie nicht.«
    »Was werdet ihr tun?«
    »Ein Teil der Delegation kehrt heute Abend zu Beratungen mit unserer Regierung nach Berlin zurück.« Er seufzte. »Ich fürchte, ich gehöre auch dazu.«
    »Dann ist es jetzt Zeit für unsere Bekanntmachung. Ich hole morgen die Fotografien ab und fahre nach London.«
    »Gut«, sagte er. »Ich werde meine Mutter einweihen, sobald ich in Berlin bin. Sie wird Nachsicht üben. Dann sage ich es Vater. Bei ihm wird es ein bisschen anders sein.«
    »Ich spreche mit Tante Herm und mit Bea. Und ich schreibe Fitz nach Russland.«
    »Also werden wir uns eine Zeit lang nicht sehen.«
    »Iss auf, dann gehen wir ins Bett.«

    Gus und Rosa trafen sich in den Tuilerien. Das Leben in Paris normalisierte sich wieder, beobachtete Gus zufrieden. Die Sonne schien; die Bäume schlugen aus, und Männer mit Nelken im Knopfloch saßen auf den Bänken, rauchten Zigarren und schauten den bestgekleideten Damen der Welt hinterher. Auf einer Seite des Parks lag die Rue de Rivoli, wo es von Automobilen, Lastkraftwagen und Pferdekarren nur so wimmelte; auf der anderen Seite fuhren Frachtbarken über die Seine. Vielleicht würde die Welt sich doch wieder erholen.
    Rosa sah atemberaubend aus. Sie trug ein rotes Kleid aus leichter Baumwolle und einen breitkrempigen Hut. Wenn ich malen könnte, dachte Gus bei ihrem Anblick, würde ich sie so auf Leinwand bannen.
    Er selbst trug einen blauen Blazer und einen modernen Strohhut. Als Rosa ihn sah, lachte sie.
    »Was ist?«, fragte er.
    »Nichts. Du siehst nett aus.«
    »Es ist der Hut, nicht wahr?«
    Sie unterdrückte ein weiteres Kichern. »Du bist hinreißend.«
    »Er sieht blöd aus. Ich kann aber nichts dafür. Hüte stehen mir einfach nicht. Das liegt an meinem dämlichen Kopf.«
    Rosa hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Du bist der attraktivste Mann in ganz Paris.«
    Das Erstaunliche war, dass sie es wirklich so meinte. Womit habe ich so viel Glück verdient, fragte sich Gus.
    Rosa fragte: »Hast du den Tatler gelesen?«
    »Dieses Londoner Magazin? Nein, warum?«
»Wie es aussieht, ist deine Freundin, Lady Maud, mit einem Deutschen verheiratet.«
    »Oh!«, sagte Gus. »Wie haben sie das denn herausgefunden?«
    »Soll das heißen, du hast es gewusst?«
    »Ich habe es zumindest geahnt. Walter hat mich 1916 in Berlin gebeten, Maud einen Brief mitzunehmen. Damals habe ich mir schon gedacht, dass sie entweder verlobt oder sogar verheiratet sind.«
    »Wie diskret du bist! Du hast nie ein Wort gesagt.«
    »Es war ein gefährliches Geheimnis.«
    »Das könnte es immer noch sein. Der Tatler schreibt zwar nett über sie, doch andere Zeitungen könnten das anders sehen.«
    »Maud wurde früher schon von der Presse angegriffen. Sie ist zäh.«
    Rosa blickte ihn verlegen an. »Darüber habt ihr wohl auch gesprochen, als ich euch bei eurem Tête-à-Tête erwischt habe.«
    »Genau. Maud hatte mich gefragt, ob ich etwas von Walter gehört hätte.«
    »Und ich dachte, ihr würdet flirten. Jetzt komme ich mir ziemlich blöd vor.«
    »Ich vergebe dir, behalte mir aber das Recht vor, den Vorfall wieder zur Sprache zu bringen, wenn du dich das nächste Mal so dumm aufführst. Darf ich dich was fragen?«
    »Was immer du willst.«
    »Eigentlich sind es drei Fragen.«
    »Wie geheimnisvoll! Wie in einem Märchen. Wenn ich falsch antworte, werde ich dann verflucht?«
    »Bist du immer noch Anarchistin?«
    »Würde es dich stören?«
    »Ich frage mich nur, ob die Politik einen Keil zwischen uns treiben könnte.«
    »Anarchismus ist die Überzeugung, dass niemand das Recht zu herrschen hat. In allen politischen Philosophien, vom Gottesgnadentum der Könige bis hin zu Rousseaus Gesellschaftsvertrag, wird der Versuch unternommen, Autorität zu rechtfertigen. Anarchisten glauben, dass alle diese Theorien zum Scheitern verurteilt sind; deshalb ist keine Form der Autorität legitim.«
    »Das ist in der Theorie unwiderlegbar, aber in der Praxis nicht umzusetzen.«
    »Du begreifst schnell. Im Endeffekt sind alle Anarchisten gegen die Herrschenden, aber ihre Visionen, wie eine

Weitere Kostenlose Bücher