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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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trug.
    Lew ging in die Garage und ließ den Motor von Josephs Packard Twin Six an. Dann fuhr er vom Grundstück und Richtung Norden.
    Dr. Schwarz wohnte Richtung Süden.
    Lew fuhr nach Kanada.

    Lew fuhr schnell. Als er die nördlichen Vorstädte Buffalos hinter sich ließ, fragte er sich, wie viel Zeit ihm blieb. Die Sanitäter würden ohne Zweifel die Polizei verständigen. Wenn die Cops dann kamen, würden sie rasch herausfinden, dass Joseph bei einer Schlägerei gestorben war. Olga würde nicht zögern, ihnen zu erzählen, wer ihren Vater niedergestreckt hatte. Wenn sie Lew nicht schon längst gehasst hatte, hasste sie ihn jetzt.
    Und dann würde man ihn wegen Mordes suchen.
    Normalerweise standen drei Wagen in Vyalovs Garage: der Packard, Lews Ford T und ein blauer Hudson, den für gewöhnlich Josephs Schläger fuhren. Es würde nicht lange dauern, bis die Cops herausgefunden hätten, dass Lew den Packard genommen hatte. In einer Stunde, schätzte Lew, würde die Polizei nach dem Wagen fahnden.
    Mit ein bisschen Glück wäre er dann schon außer Landes.
    Lew war mehrere Male mit Marga nach Kanada gefahren. Es waren nur hundert Meilen bis Toronto, drei Stunden in einem schnellen Automobil. Marga und Lew hatten jedes Mal als Mr. und Mrs. Peters im Hotel eingecheckt und waren piekfein gekleidet in die Stadt gegangen, ohne befürchten zu müssen, von jemandem erkannt zu werden, der Joseph Vyalov hätte anrufen können. Lew hatte keinen amerikanischen Pass, kannte aber mehrere Grenzübergänge ohne Zollstation.
    Er erreichte Toronto gegen Mittag und stieg in einem ruhig gelegenen Hotel ab.
    Im Coffee Shop bestellte er sich ein Sandwich, saß eine Zeit lang da und dachte über seine Situation nach. Er wurde jetzt wegen Mordes gesucht. Er hatte kein Heim mehr und konnte keine seiner beiden Familien besuchen, ohne das Risiko einzugehen, verhaftet zu werden. Vielleicht würde er seine Kinder nie wiedersehen. Alles, was ihm geblieben war, waren fünftausend Dollar in einem Geldgürtel und ein gestohlener Wagen.
    Lew dachte daran zurück, wie er vor zehn Monaten vor seinem Bruder geprahlt hatte. Was würde Grigori jetzt wohl von ihm denken?
    Er aß sein Sandwich auf und schlenderte dann ziellos und deprimiert durch das Stadtzentrum. In einem Schnapsladen kaufte er sich eine Flasche Wodka, die er mit auf sein Zimmer nahm. Vielleicht sollte er sich heute Nacht betrinken. Ihm fiel auf, dass Roggenwhisky hier nur vier Dollar die Flasche kostete. In Buffalo musste man dafür zehn Dollar hinblättern, wenn man überhaupt welchen bekam; in New York City kostete die Flasche sogar fünfzehn bis zwanzig Dollar. Lew wusste das, weil er schon seit Längerem versucht hatte, illegal Whisky für seine Nachtclubs zu bekommen.
    Er kehrte in sein Hotelzimmer zurück und besorgte sich etwas Eis. Sein Zimmer war staubig, die Möbel alt, und aus dem Fenster waren nur die Hinterhöfe mehrerer schäbiger Läden zu sehen. Als die Sonne unterging, war Lew deprimierter denn je. Er dachte darüber nach, loszuziehen und ein Mädchen aufzugabeln, doch ihm fehlte die Energie. Würde er nun von jedem Ort fliehen müssen, an dem er sich je niederließ? Aus Petrograd war er wegen eines toten Polizisten geflohen; Aberowen hatte er mit einem wütenden Mob auf den Fersen verlassen, den er beim Kartenspiel betrogen hatte, und nun hatte er sich aus Buffalo abgesetzt.
    Lew musste etwas wegen des Packards unternehmen. Die Polizei von Buffalo würde die Beschreibung vielleicht nach Toronto telegrafieren. Entweder musste er die Nummernschilder oder besser noch den ganzen Wagen austauschen. Aber auch dafür fehlte es ihm an Schwung.
    Olga war vermutlich froh, ihn los zu sein. So hatte sie ihr ganzes Erbe für sich allein. Allerdings verlor das Vyalov-Imperium mit jedem Tag an Wert.
    Lew fragte sich, ob er wohl Marga und den kleinen Gregory nach Kanada bringen könnte. Aber würde Marga das überhaupt wollen? Amerika war ihr Traum, so wie es auch Lews Traum gewesen war. Kanada hingegen war nicht gerade ein Traumziel für Nachtclubsängerinnen. Nach New York oder Kalifornien hätte sie Lew vermutlich begleitet, aber nicht nach Toronto.
    Lew würde seine Kinder vermissen. Tränen traten ihm in die Augen, als er sich vorstellte, wie die kleine Daisy ohne ihn aufwachsen musste. Sie war noch nicht einmal vier Jahre alt. Sie würde bestenfalls eine verschwommene Erinnerung an ihn behalten, ihn vielleicht sogar ganz vergessen. An das größte Sandwich der Welt würde sie

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