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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Fragen stellen.«
    »Gottes Macht sorgt dafür, dass sein Wort so zu uns kommt, wie es sein Wille ist«, sagte Dah.
    »Warum soll Gott einen Umweg machen? Das ist doch Käse.«
    Mam mischte sich wieder ein. »Sprich nicht in diesem Ton mit deinem Vater! Du bist noch ein Junge, du weißt überhaupt nichts.«
    Billy beachtete sie nicht. »Wenn Gott will, dass wir sein Wort kennen, warum leitet er dann nicht die Hand der … der Abschreiber und sorgt dafür, dass sie keine Fehler machen tun?«
    »Bei bestimmten Dingen ist es uns nicht gegeben, sie zu verstehen.«
    Diese Antwort war von allen am wenigsten überzeugend, und Billy ging gar nicht darauf ein. »Wenn die Abschreiber Fehler machen können, dann können es diese Textgelehrten sicher auch.«
    »Wir müssen glauben, Billy.«
    »An das Wort Gottes, ja. Aber nicht an eine Bande von Griechischprofessoren!«
    Mam setzte sich an den Tisch und schob sich das ergrauende Haar aus der Stirn. »Also hast du wie immer recht, und alle anderen haben unrecht?«
    Dieser regelmäßig vorgebrachte Vorwurf traf Billy jedes Mal, ob gerechtfertigt oder nicht. Billy war nicht so vermessen zu glauben, klüger zu sein als die anderen. »Das liegt nicht an mir«, entgegnete er, »sondern an der Logik.«
    »Red nicht so geschwollen«, sagte seine Mutter. »Iss dein Abendbrot.«
    Die Tür ging auf, und Mrs. Dai Ponies kam herein. In der Wellington Row war das normal; nur Fremde klopften an. Mrs. Dai Ponies trug eine Schürze und Männerstiefel. Was sie zu sagen hatte, musste so dringend sein, dass sie nicht einmal einen Hut aufgesetzt hatte, ehe sie ihr Haus verließ. Sichtlich aufgeregt schwenkte sie ein Blatt Papier. »Die wollen mich rauswerfen!«, rief sie. »Was soll ich denn jetzt tun?«
    Dah erhob sich und bot ihr seinen Stuhl an. »Komm erst einmal rein und setz dich«, sagte er beruhigend. »Lass mich den Brief mal lesen.« Er nahm ihr das Schreiben aus der roten, knotigen Hand und strich es auf dem Esstisch glatt.
    Billy konnte den Briefkopf von Celtic Minerals erkennen.
    »Sehr geehrte Mrs. Evans«, las Dah laut vor. »Das Haus mit oben genannter Anschrift wird nunmehr für einen Bergmann benötigt.« Die meisten Häuser in Aberowen hatte Celtic Minerals errichtet. Im Laufe der Jahre waren einige dieser Häuser an die Mieter verkauft worden – darunter das, in dem Familie Williams wohnte –, doch die meisten waren nach wie vor an Bergleute vermietet. »Gemäß den Bestimmungen Ihres Mietvertrags …« Dah hielt inne, und Billy sah, dass er schockiert war. »… gewähre ich Ihnen hiermit eine zweiwöchige Räumungsfrist!«
    Mam sagte: »Räumungsfrist? Dabei ist ihr Mann noch keine sechs Wochen unter der Erde!«
    »Wo soll ich nur hin, mit fünf Kindern?«, jammerte Mrs. Dai Ponies.
    Auch Billy war schockiert. Dai Ponies war in einer der Zechen ums Leben gekommen, die Celtic Minerals gehörten. Wie konnten sie der Witwe so etwas antun?
    »Unterzeichnet mit ›Perceval Jones, Generaldirektor‹«, fügte Dah hinzu.
    »Was für ein Mietvertrag? Ich wusste gar nicht, dass Bergleute Mietverträge haben«, sagte Billy.
    Dah sah ihn an. »Es gibt keinen schriftlichen Vertrag, aber das Gericht hat entschieden, dass eine stillschweigende Übereinkunft besteht. Den Kampf haben wir schon geführt und verloren.« Er wandte sich an Mrs. Dai Ponies. »Das Haus gehört zur Arbeit, aber normalerweise wird den Witwen erlaubt, weiter wohnen zu bleiben. Manchmal ziehen sie trotzdem weg und leben woanders, zum Beispiel bei ihren Eltern. Einige heiraten wieder, manche einen anderen Bergmann, und der übernimmt dann das Haus. Meist haben die Frauen wenigstens einen Jungen, der Bergmann wird, wenn er alt genug ist. Es ist gar nicht im Interesse von Celtic Minerals, Witwen auf die Straße zu setzen.«
    »Warum wollen sie dann mich und meine Kinder loswerden?«, jammerte Mrs. Dai Ponies.
    Gramper sagte: »Napoleon Jones hat Muffensausen. Er glaubt bestimmt, der Kohlepreis geht rauf. Deshalb gibt’s ja die Sonntagsschicht.«
    Dah nickte. »Celtic Minerals möchte einen höheren Ausstoß, so viel steht fest, aus welchem Grund auch immer. Aber das erreichen sie nicht dadurch, dass sie Witwen auf die Straße setzen. Nicht, solange ich dabei ein Wort mitzureden habe!«

    Acht Frauen – allesamt Witwen von Männern, die bei der Schlagwetterexplosion ums Leben gekommen waren – hatte man die Häuser gekündigt. Alle hatten einen gleichlautenden Brief von Generaldirektor Jones erhalten, wie Dah noch am

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