Sturz der Titanen
fällen. Mehr kann ich euch nicht sagen.« Billy fand, dass Dah sich zu sehr zurückhielt. Er wollte, dass sein Vater zur Revolution aufrief. Aber Dah zeigte nur auf John Jones the Shop, der die Hand gehoben hatte.
»Ich hab mein ganzes Leben in Gordon Terrace Nummer dreiundzwanzig verbracht«, sagte Jones. »Ich bin da geboren, und ich wohn da noch immer. Aber mein Vater is’ gestorben, da war ich elf. Das war auch schwer für meine Mam, aber sie durfte da wohnen bleiben. Als ich dreizehn wurde, hab ich angelegt, und jetzt zahl ich die Miete. So war’s immer. Niemand hat je was gesagt, wir würden rausfliegen.«
»Danke, John Jones. Willst du einen Antrag machen?«
»Nee, ich sag’s halt nur.«
» Ich will einen Antrag machen«, sagte eine andere Stimme. »Streik!«
Ein Chor der Zustimmung erhob sich.
Billys Vater sagte: »Dai Crybaby.«
»Ich sehe die Sache so«, sagte der Kapitän der städtischen Rugbymannschaft. »Wir dürfen es Celtic Minerals nicht durchgehen lassen. Wenn die den Witwen kündigen können, kann keiner von uns sich mehr darauf verlassen, dass seine Familie abgesichert ist. Man kann sein ganzes Leben für Celtic Minerals arbeiten, und dann holt einen der Berg, und zwei Wochen später tut die Familie auf der Straße sitzen? Dai Union ist im Büro gewesen und hat versucht, vernünftig mit Gone-to-Merthyr Morgan zu reden, aber es hat nichts genutzt. Jetzt bleibt uns keine andere Wahl, als zu streiken.«
»Danke, Dai«, sagte Dah. »Soll ich das als offiziellen Antrag zum Streik betrachten?«
»Aye.«
Billy war überrascht, dass Dah den Antrag so rasch annahm, denn er wusste genau, dass sein Vater einen Streik verhindern wollte.
»Abstimmen!«, rief jemand.
Dah sagte: »Ehe ich über den Antrag abstimmen lasse, müssen wir noch beschließen, wann der Streik beginnen soll.«
Aha, dachte Billy, er nimmt es doch nicht so einfach hin.
Dah fuhr fort: »Wir könnten überlegen, am Montag anzufangen. Bis dahin könnte die Drohung mit dem Streik die Direktoren zur Vernunft bringen, während wir weiterarbeiten – und dann hätten wir, was wir wollen, ohne jeden Lohnausfall.«
Billy begriff, dass Dah inzwischen eine Verschiebung des Streiks als die nächstbeste Lösung anstrebte.
Aber Len Griffiths, Tommys Vater, war zu dem gleichen Schluss gekommen. »Darf ich sprechen, Herr Vorsitzender?«, fragte er. Griffiths hatte einen kahlen Schädel mit schwarzen Haarfransen an den Seiten und einen schwarzen Schnurrbart. Er trat vor und stellte sich neben Dah, der Menge zugewandt, sodass es aussah, als hätten beide die gleiche Machtbefugnis. Die Versammlung wurde still. Len gehörte wie Dah und Dai Crybaby zu jener Handvoll Männer, denen alle anderen stets in respektvollem Schweigen zuhörten. »Ich frage mich, ob es klug ist, Celtic Minerals vier Tage Schonfrist zu geben. Angenommen, die da oben überlegen es sich nicht anders – und das ist gut möglich, wenn man bedenkt, wie starrsinnig sie bisher immer gewesen sind. Dann haben wir Montag, ohne dass wir was erreicht haben, und den Witwen bleibt noch weniger Zeit.« Er hob um der rhetorischen Wirkung willen leicht die Stimme. »Ich sage, Kollegen: Geben wir keinen Zollbreit nach!«
Die Männer jubelten, und Billy fiel ein.
»Danke, Len«, sagte Dah. »Wir haben jetzt also zwei Anträge auf dem Tisch: Streik ab morgen oder Streik ab Montag. Wer möchte noch was sagen?«
Billy sah sich genau an, wie sein Vater die Versammlung handhabte. Der nächste Mann, der das Wort erhielt, war Giuseppe »Joey« Ponti, Topsolist des Männerchors von Aberowen und älterer Bruder von Billys Schulkamerad Johnny. Trotz seines italienischen Namens war er in Aberowen geboren und sprach mit dem gleichen Dialekt wie jeder andere Mann im Saal. Auch er setzte sich für sofortigen Streik ein.
Als er zu Ende gesprochen hatte, fragte Dah: »Der Fairness halber – will noch jemand für den Streik ab Montag eintreten?«
Billy fragte sich, weshalb Dah nicht seine persönliche Autorität in die Waagschale warf. Wenn er für Montag als Streikbeginn eintrat, stimmte er die Bergleute vielleicht noch um. Doch andererseits, wenn er scheiterte, wäre er in der unangenehmen Lage, einen Streik führen zu müssen, gegen den er selbst Einwände erhoben hatte. Billy begriff, dass Dah nicht völlig frei sagen konnte, was er dachte.
Die Diskussion wogte hin und her. Die Kohlenlager waren voll, daher konnte die Zeche eine Weile durchhalten; andererseits war die Nachfrage groß, und
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