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Sturz der Titanen

Titel: Sturz der Titanen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Läden hätten keine Kunden mehr, die Schulen keine Kinder, die Ärzte keine Patienten. Auch Ethels Vater wäre arbeitslos. Niemand hatte damit gerechnet, dass Perceval Jones so hartnäckig sein könnte.
    »Ich möchte bloß wissen, was der König dazu sagen würde, wenn er’s wissen täte«, sagte Mrs. Dai Ponies.
    Das fragte Ethel sich auch. Wie es aussah, hatte der König bei seinen Beileidsbesuchen echte Anteilnahme gezeigt. Aber er wusste wahrscheinlich nicht einmal, dass man den Witwen die Häuser gekündigt hatte.
    Plötzlich kam ihr ein Gedanke. »Vielleicht solltet ihr es ihm sagen.«
    Mrs. Dai Ponies lachte auf. »Mach ich, wenn ich ihn nächstes Mal sehe.«
    »Du könntest ihm einen Brief schreiben.«
    »Red nicht so ’n Zeug, Ethel.«
    »Ich meine es ernst. Du solltest es tun.« Ethel blickte von einer Frau zur anderen. »Ein Brief, unterschrieben von allen Witwen, die der König besucht hat. Ein Brief, in dem ihr ihm schreibt, dass ihr aus euren Häusern geworfen werdet und die Stadt im Streik ist. Das muss er zur Kenntnis nehmen.«
    Mrs. Dai Ponies blickte ängstlich drein. »Ich möchte keine Schwierigkeiten kriegen.«
    Mrs. Minnie Ponti, eine dünne blonde Frau mit unerschütterlichen Prinzipien, erwiderte: »Du hast keinen Mann mehr und kein Haus und kannst nirgends hin – was für Schwierigkeiten sollst du denn noch kriegen?«
    »Da haste auch wieder recht. Aber ich wüsste gar nicht, was ich schreiben soll. Heißt es ›Lieber Herr König‹ oder ›Lieber George V .‹ oder was?«
    Ethel sagte: »Du schreibst: ›Sir, mit untertäniger Ergebenheit.‹ Ich kenne den ganzen Quatsch; ich arbeite schließlich hier. Machen wir es jetzt gleich. Kommt mit ins Dienstbotenzimmer.«
    »Geht das denn?«
    »Ich bin hier jetzt die Haushälterin. Was geht, bestimme ich.«
    Die Frauen folgten Ethel über die Auffahrt hinter das Haus. In der Küche nahmen sie am Esstisch für die Dienstboten Platz, und die Köchin setzte Tee auf. Ethel besaß einen Vorrat an einfachem Schreibpapier, das sie für Briefe an Lieferanten benutzte.
    »›Sir, mit untertäniger Ergebenheit‹«, sagte sie und schrieb es hin. »Was als Nächstes?«
    Mrs. Dai Ponies schlug vor: »Entschuldigen Sie unsere Unverschämtheit, dass wir an Euer Majestät schreiben tun.«
    »Nein«, erwiderte Ethel. »Nicht entschuldigen. Er ist unser König. Wir haben das Recht, ihn um Hilfe zu bitten. Schreiben wir: ›Wir sind die Bergmannswitwen, die Seine Majestät nach der Grubenexplosion in Aberowen besucht hat.‹«
    »Sehr gut«, sagte Mrs. Ponti.
    Ethel fuhr fort: »›Wir fühlen uns von Ihrem Besuch geehrt. Ihr Beileid und die großzügige Anteilnahme Ihrer Majestät der Königin waren uns ein Trost in unserem Kummer.‹«
    »Du hast ein Talent für so was, genau wie dein Vater«, sagte Mrs. Dai Ponies.
    Mrs. Ponti entgegnete: »Das ist jetzt aber genug Süßholz.«
    »Also, weiter. ›Wir wenden uns an Sie als unseren König, damit Sie uns helfen. Weil unsere Männer tot sind, werden wir aus unseren Häusern geworfen …‹«
    »Von Celtic Minerals«, warf Mrs. Ponti ein.
    »›… von Celtic Minerals aus unseren Häusern geworfen. Die ganze Zeche ist für uns in den Streik gegangen, aber nun werden alle auf die Straße gesetzt.‹«
    »Mach es nich’ zu lang«, sagte Mrs. Dai Ponies. »Vielleicht isser zu beschäftigt, um das alles zu lesen.«
    »Also gut. Schließen wir den Brief mit den Worten: ›Soll so etwas in Ihrem Königreich erlaubt sein?‹«
    »Das ist ein bisschen zahm«, sagte Mrs. Ponti.
    »Nein, das ist gut«, sagte Mrs. Dai Ponies. »Das spricht sein Gefühl für Recht und Unrecht an.«
    Ethel sagte: »Und zum Schluss: ›Wir haben die Ehre, Sir, Euer Majestät untertänigste und gehorsamste Diener zu sein.‹«
    »Muss das sein?«, fragte Mrs. Ponti. »Ich bin keine Dienerin. Nicht bös gemeint, Ethel.«
    »Das ist normal. Der Earl unterzeichnet damit, wenn er einen Brief an die Times schreibt.«
    »Na, dann ist es gut.«
    Ethel reichte den Brief am Tisch herum. »Unterschreibt und vermerkt daneben eure Adressen.«
    Mrs. Ponti sagte: »Ich hab eine furchtbare Klaue, unterschreib du für mich.«
    Ethel wollte etwas einwenden, doch dann kam ihr der Gedanke, dass Mrs. Ponti vielleicht gar nicht schreiben konnte; deshalb schwieg sie und schrieb: Mrs. Minnie Ponti, 19 Wellington Row.
    Das Kuvert adressierte sie an:
    Seine Majestät der König
Buckingham Palace
London
    Sie klebte den Umschlag zu und versah ihn mit einer Briefmarke.

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