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Sturz in den Tod (German Edition)

Sturz in den Tod (German Edition)

Titel: Sturz in den Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anke Gebert
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Katharina drohte, sich
scheiden zu lassen, werde Alexander so etwas noch einmal von ihr verlangen. Er
solle doch seine Eltern anpumpen. Sie wusste wie
Alexander, dass er das niemals tun würde, solange sein Vater lebte.
    Auch die wütenden und verzweifelten Anrufe von Gläubigern aus der
ersten und zweiten Pleite hatten Katharina zu schaffen gemacht. Kurz bevor der
Gerichtsvollzieher vor der Tür stand, starb Alexanders Vater. Alexander erbte.
Damit Katharina ihre Ruhe hatte, beglich Alexander die Schulden bei den
hartnäckigsten Gläubigern. Seine Mutter verließ die Villa am Leinpfadkanal, um
ausschließlich in Travemünde zu leben. Wegen der vielen Erinnerungen an ihre
glückliche Ehe, denen sie nach dem Verlust ihres Mannes nicht täglich in diesem
Haus ausgesetzt sein mochte, und weil derjenige, der die Firma Bergmann
zukünftig leiten würde, ein repräsentatives Zuhause haben sollte.
    Katharina sprach nie wieder von Scheidung. Sie gewöhnte sich schnell
an ihr neues Heim, nachdem sie es entkernt, modernisiert und stilvoll
eingerichtet hatte. Auch das kostete ein Vermögen, ein Vermögen, von dem sie
offenbar glaubte, es wäre vorhanden. Alexander ließ seine Frau in dem Glauben.
    Er fühlte sich seit Jahren wie ein Fremdkörper auf dem Stuhl seines
Vaters. Vielleicht hätte er auch das Büro entkernen sollen. Es hatte Tage
gegeben, da war er mit dem Auto kurz vor dem Firmengelände abgebogen und hatte
seine Arbeitszeit irgendwo anders verbracht, nur um nicht in diesem Büro sein
zu müssen. Er ahnte, dass er auch die Firma seines Vaters gegen die Wand fahren
würde, dass der Tag, an dem das geschehen würde, immer näher rückte.
    Doch nun war seine Mutter tot. Rechtzeitig. Wie damals sein Vater.
    ***
    Die Baumkronen der Linden waren zu einer runden Form
gestutzt und boten den auf der Vorderreihe Flanierenden eine schattige Allee.
Im Café Niederegger war beinahe jeder Platz besetzt, auch nebenan im Café
Allwörden. Das Stimmengewirr gab Nina das Gefühl, unerkannt zu bleiben. So
unerkannt wie neulich, wurde erzählt, sogar Udo Lindenberg, als er mit seiner
Entourage die Promenade entlanggegangen war und niemand ihn beachtet hatte.
Lindenberg habe wie immer seine Kluft getragen – zu enge Hosen, zu weites
Jackett und Hut, sei also unverkennbar erkennbar gewesen. Offenbar irritiert
davon, dass niemand von ihm Notiz nahm, habe er laut eines seiner Lieder
angesungen. Augenblicklich hätten Leute zu ihm hingesehen. »Kuck mal, ist das
nicht Udo?« Lindenberg habe sofort aufgehört zu singen und sei mit seinen
Bodyguards und Musikern in ein Taxi gestiegen, als wäre ihm die Aufmerksamkeit
zu viel. Nina hatte Jan belustigt davon erzählt.
    Vor der Sparkasse saß ein braun gebrannter Bettler, der einem Paar
erklärte, dass er kein Bettler sei, sondern »Ars Vivendi« praktiziere, was so
viel wie »genieße das Leben« bedeute. Die drei philosophierten noch eine Weile.
Nina stellte sich an den Geldautomaten im Eingangsbereich der Filiale, nachdem
sie sich vergewissert hatte, dass keine Bekannten, nur Touristen, in der Nähe
waren.
    Wie immer zog sie bloß einen kleinen Betrag und freute sich, dass
der Geldautomat in Travemünde auch kleine Scheine ausgab. In Hamburg waren es
immer nur Fünfzig-Euro-Scheine, mit denen man die Bank verließ und meist kurz
darauf im nächsten Geschäft für Unmut sorgte.
    Sie kaufte im Drogeriemarkt noch etwas Wurst und Käse für ihre
Mutter und sich ein, was sie ansonsten ausschließlich im REWE oder Aldi-Markt taten, doch auch dort schien Nina
die Wahrscheinlichkeit zu hoch, dass sie auf ihr bekannte Travemünder traf. Im
Drogeriemarkt in der Vorderreihe, in dessen Umgebung sich viele Ferienwohnungen
befanden, deckten sich die Leute nicht nur mit Sonnencreme und anderen
Kosmetikartikeln ein, sondern auch mit Lebensmitteln. Das Sortiment bestand aus
den wichtigsten Dingen, wie abgepacktem Brot, Konserven, Getränken, es gab auch
zwei Kühlregale mit frischen Sachen wie Butter, Joghurt und Käse. Alles war
etwas teurer als im Discounter. Doch Nina bezahlte heute lieber mehr, sie
musste es ihrer Mutter ja nicht erzählen. Sie hatte kaum Lust, nach Hause zu
gehen. Auch wenn ihre Mutter nicht mehr über die Sache sprach, kam es Nina vor, als wäre das ganze Haus mit einer Atmosphäre des
Vorwurfs angefüllt. Sie hatte doch nichts getan! Sie wurde nur mit der Sache in Verbindung gebracht, weil sie zur falschen Zeit
am falschen Ort gewesen war. An Frau Bergmanns Schrank. Von der Tasche

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