Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
sie aufgehört hatte zu reden, heraus. Dann tat ich nichts weiter, als einfach nur vollkommen still dazusitzen und zuzusehen, wie sich ihre ängstliche Miene in eine schockierte verwandelte.
Ihr traten Tränen in die Augen, und sie schaute zum Wasser. »Du brauchst das nicht zu tun. Ich bin glücklich, einfach mit dir hier zu sein.«
»Holly, sieh mich an.«
Sie bewegte sich nicht, also drehte ich ihr Gesicht wieder zu mir hin. Die Tränen liefen ihr über die Wangen. Sie wischte sie schnell mit der Hand weg. Dann schlossen sich ihre Augen, wahrscheinlich damit sie mich nicht anschauen musste. »Es tut mir leid.«
»Was denn, Hol?«
»Dass du das Gefühl hast, mir das sagen zu müssen. Ich wünschte, es wäre mir egal, was du denkst, und dass ich einfach … nicht mehr wollen würde.«
»Ich liebe dich«, sagte ich erneut und führte mein Gesicht näher an ihres heran.
»Hör einfach auf«, flüsterte sie. »Das ist mein Fehler …«
Um sie zum Verstummen zu bringen, legte ich meine Finger an ihre Lippen. »Ich liebe dich so sehr, und ich habe es vorher nicht gesagt, weil alles immer so toll ist mit uns beiden und ich nicht weiß, ob man es wirklich meinen kann, bis … plötzlich alles anders ist.«
Sie schlug die Augen auf, und ich konnte sehen, dass sie mir diesmal vielleicht tatsächlich glaubte. »Meinst du das ernst?«
Ich lachte. »Ja. Ich bin ganz im Ernst total verliebt in dich.«
Sie schlang ihre Arme um meinen Hals. »Ich auch. Ich meine, ich liebe dich auch.«
Ich zog sie mit mir runter in den Sand und küsste praktisch jeden Zentimeter ihres Gesichts.
»Ihh!«, sagte eine Stimme hinter uns.
Holly löste sich von mir, und wir sahen zwei kleine Kinder, die von ihren Eltern von uns weggescheucht wurden. Sie lachte und küsste mich auf die Wange. »Ich hasse dich, wenn du mich zum Weinen bringst.«
»Weine ruhig, so viel du willst. Solange du dabei glücklich bist.«
»Ich bin glücklich«, sagte sie.
Und ich war es auch. Trotz allem.
Ich sprang aus der Dusche und band mir ein Handtuch um die Hüfte. Als ich zurück ins Zimmer ging, lag Holly in der Mitte des Bettes flach auf dem Bauch und schlief tief und fest. Der weiße Hotelbademantel war verrutscht und gab den Blick auf das japanische Schriftzeichen frei, das sie sich auf die Schulter hatte tätowieren lassen. Zwar hatte ich keinerlei Zweifel, welche Holly das war, aber trotzdem war es irgendwie nett, dass sie dieses Zeichen trug. Vielleicht konnte ich sie dazu überreden, sich die Ziffern 09 direkt unter das andere Tattoo stechen zu lassen.
Ihre Augen öffneten sich halb und schlossen sich dann wieder. »Ich bin wach. Ich gehe mit dir mit.«
Ich legte die Decke über sie. »Schlaf ruhig.«
»Unterwäsche«, murmelte sie.
Ich schaute zu ihrem orangefarbenen Badeanzug, der auf dem Boden lag. Den hatte sie unter ihren Arbeitsklamotten getragen. »Ich schätze, wir waren wirklich unvorbereitet. Mal sehen, was ich finde. Holly?«
»Ja?«
»Ich hab meinen Schlüssel dabei, also öffne niemandem die Tür, okay?«
Sie nickte, und ich verließ rasch das Zimmer. Der Geschenkartikelladen in der Lobby war rund um die Uhr geöffnet. Holly und ich würden zu wandelnden Reklametafeln für das Hotel werden, denn fast alles, was man dort kaufen konnte, trug dessen Logo. Die Frau hinter dem Tresen zuckte zusammen, als sie mich in den Laden kommen sah. Sie hatte in ihrem Sessel gedöst.
»Kann ich Ihnen behilflich sein?«
»Äh, ja. Die Fluggesellschaft hat den Koffer meiner Freundin verbummelt. Sie braucht was zum Anziehen, Unterwäsche und so …« Ich schaute einen Stapel T-Shirts durch.
»Welche Größe?«, fragte die Frau.
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie eine kleine rothaarige Person an der Rezeption gegenüber von dem Laden eine Visitenkarte des Hotels stibitzte.
In wenigen schnellen Schritten war ich an der Rezeption. Das Kind wandte sich um und lief in einen Flur auf der rechten Seite. Entweder wurde ich langsam verrückt, oder das war dasselbe Mädchen, das ich an jenem Tag im Juni dieses Jahres vor dem Zoo gesehen hatte. Aber dieses Mädchen sah kleiner aus. Ein paar Jahre jünger. Es ging in den kleinen Raum mit den Getränkeautomaten. Ich lehnte mich an die Wand und wartete darauf, dass es zurückkam. Es war nach Mitternacht. Was machte ein kleines Mädchen, das um diese Uhrzeit allein herumspazierte?
Ich wartete noch eine Minute, hörte aber keinerlei Geräusch und spähte schließlich um die Ecke in den Raum. Mein Blick
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