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Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)

Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)

Titel: Sturz in die Zeit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Cross
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uns beide an Heiligabend im Central Park zeigte, nur einen Monat bevor sie krank wurde. Hollys Augen wanderten von dem Foto zu dem Geschriebenen auf der anderen Seite. Und ich ließ sie lesen, weil die Holly von 2007 es auch getan hatte und es mir daher nur fair erschien.
    Sie wischte sich die Tränen weg und reichte mir die Karte zurück; ihr Blick verriet, dass sie entschlossen war, sich zusammenzunehmen. »Ich hätte das auch nicht gekonnt. Jemandem, den man liebt, beim Sterben zuzusehen. Ich hätte viel zu große Angst davor gehabt.«
    »Ich weiß, dass du es könntest, Holly.« Ich streichelte ihre Wange.
    »Jetzt vielleicht schon, aber mit vierzehn auf keinen Fall.«
    Ich lächelte sie an; sie war noch immer den Tränen nah. »So, jetzt ist aber Schluss mit dem traurigen Zeug. Das ist ja Folter, dich mit all dem zu quälen.«
    »Dann reden wir aber auch nicht mehr davon, dass ich sechs Kinder kriegen soll. Allein bei dem Gedanken habe ich das Bedürfnis, die Beine übereinander zu schlagen und daran nie wieder was zu ändern.«
    Das war genau das Richtige, um mich aus meiner gedrückten Stimmung zu reißen. »Das liebe ich so an dir, dass du mir ohne mit der Wimper zu zucken solche Sachen an den Kopf knallst. Wie wäre es, wenn du mir jetzt ein Geheimnis verrätst? Oder mir vielmehr eine Frage beantwortest.«
    »Vielleicht …«
    »Wie bist du an einen Typen wie David Newman geraten?«
    »Was stimmt denn nicht mit David?«
    »Nichts, aber was hat dich an ihm gereizt? Wie fing das alles an?«, fragte ich.
    Sie zog die Augenbrauen hoch. »Willst du das wirklich hören?«
    »Ich bin nur neugierig, das ist alles.«
    »Wir haben uns irgendwann mal betrunken und auf einer Party vor jeder Menge Leute rumgeknutscht, und da wir schon gut miteinander befreundet waren, haben sie einfach angenommen, das wäre unser Moment gewesen. David war so betrunken, dass er sich nicht mal mehr daran erinnern konnte. Und es auch immer noch nicht kann.«
    »Das ist alles?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich glaube, als ich noch jünger war, hatte ich die Vorstellung, dass der perfekte Mann irgendwo auf mich wartet, und dann hab ich einfach beschlossen …«
    »… dich mit weniger zufriedenzugeben?«
    Sie lächelte verlegen. »Ja, aber das war keine bewusste Entscheidung. Ich kannte die Alternative ja nicht.«
    Ich rutschte näher und ließ meine Hände um ihre Taille gleiten. »Ich weiß, was du meinst.«
    »Eine Zeitlang habe ich dich dafür gehasst, dass ich wegen dir Zweifel an meiner Entscheidung bekam. Mit David fühlte ich mich nicht … Er hat nicht …«
    »… deine Leidenschaft entfacht?«
    »Nein, das hat er nicht.« Sie küsste mich, rollte sich auf mich und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar. Dann lehnte sie sich zurück, um zu gähnen. »Entschuldigung.«
    Ich drückte sanft ihren Nacken nach unten, bis sie ihren Kopf auf meine Brust legte. »Schlaf ein bisschen. Du siehst erschöpft aus.«
    »Möchtest du, dass ich rüberrutsche?«, fragte sie leise lachend.
    Ich legte meine Arme fester um sie. »Nein, bleib liegen. Du bist schön warm.«
    Sie hob den Kopf. »Darin warst du schon immer gut.«
    »Worin?«
    »Du hältst mir immer genau im richtigen Moment die Hand und hast ein perfektes Timing beim Küssen. So als wäre das deine Art das zu sagen, was du nicht sagen kannst. Aber ich wusste, dass du es irgendwann tun würdest.« Sie legte ihren Kopf wieder auf mein Hemd.
    »Tut mir leid, dass ich jemals an deiner Geduld gezweifelt habe.«
    Die ganze restliche Nacht machte ich kein Auge zu. Ich lag einfach nur da, spürte, wie Hollys Wärme durch meinen Körper strömte, und dachte an Dad und an das, was er alles verloren hatte. Er würde mich nicht im Stich lassen. Selbst wenn es seine Aufgabe war, jemand anderen zu retten. Das wusste ich jetzt.
    Die Narben an seiner Schulter von der Kugel, die ihn siebzehn Jahre zuvor getroffen hatte, hatte ich bereits gesehen, aber nicht gewusst, woher sie stammten. Wie konnte ich mich im Jahr 2007 nur hinsetzen und jammern, weil ich eine jüngere Holly treffen musste, eine, die mich nicht kannte, wenn mein Vater keine Chance hatte, Eileen jemals lebend wiederzusehen?
    Und seitdem ich erfahren hatte, dass sie wie eine Mutter zu uns gewesen war, wollte ich noch so viel mehr über sie wissen. Alles. Wenn das nur nicht so weit zurückgelegen hätte. Als die ersten Sonnenstrahlen durch den Vorhang fielen, wusste ich, dass die Dinge nie mehr so einfach sein würden wie in diesem

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