Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
leer. Also wählten wir in aller Ruhe fast jedes vegetarische Gericht auf der Speisekarte aus und verteilten unser Festmahl dann auf dem größten Tisch.
»Wie lange ist es her, dass du beschlossen hast, kein Fleisch mehr zu essen?«
Sie tunkte ihr Pitabrot in den Hummus, bevor sie antwortete: »Nur ein paar Jahre. Ich würde es auch essen, wenn es mir schmecken würde, es schmeckt mir aber nicht.«
»Also machst du es nicht, um die Kühe zu retten?«
»Eigentlich weniger.« Sie lächelte und trank von ihrem Eistee. »Darf ich dich was fragen?«
»Klar, schieß los.«
»Hattest du das die ganze Zeit geplant? Mich heute Abend für dich zu haben? Ich hab gehört, dass du … so was häufig machst.«
Mir verschlug es für einen Moment die Sprache. Es einfach abzustreiten wäre albern gewesen. Ich faltete meine Hände auf dem Tisch und sah sie direkt an. Sie hielt spontan mit dem Kauen inne. »Ehrlich gesagt hab ich gesehen, wie du mit Brook getanzt hast«, sagte ich, »und ich wusste, dass du dich schuldig fühlst, weil du dich heute Abend amüsierst. Und genau so gehts mir auch.«
Das war die Wahrheit. Ich wollte einfach nur in ihrer Nähe sein, aber wusste auch nicht genau, warum. Was mir ein wenig Angst machte.
Sie senkte den Blick und stochert mit der Gabel in einem Plastikbehälter mit Obst herum. Sie wusste genau, wovon ich redete. »Ja, stimmt.«
»Und wir werden Folgendes tun, um unsere Schuldgefühle zu mindern.« Ich setzte mich aufrechter hin und sah, wie sie den Blick wieder hob. »Heute Abend sind nur ganz normale, alltägliche Dinge gestattet. Wie essen, trinken und schlafen.«
Ihr Mund verzog sich zu einem halben Lächeln. »Klingt gut. Nur ganz banale Dinge sind erlaubt.«
»Reden auch?«, schlug ich vor.
»Na, Mr Meyer, wie geht’s denn heute Abend so?«, sagte eine Stimme hinter mir.
Ich wirbelte herum und sah meinen Vater zum Tresen gehen. »Dad, was machst du denn hier?«
Mein Vater schaute herüber und nickte uns zu. »Ich mache Überstunden und hol mir nur schnell was zu essen, bevor ich wieder ins Büro gehe.«
»Macht das nicht normalerweise deine Sekretärin?«, fragte ich.
Er zuckte mit den Schultern. »Ich hab sie nach Hause geschickt.«
Er wollte aus demselben Grund allein sein, aus dem ich es nicht wollte. Ich sprang auf und blickte zwischen Holly und meinem Vater hin und her. »Das ist Holly Flynn. Wir arbeiten zusammen.«
Dad reichte ihr die Hand. »Kevin Meyer.«
»Nett, Sie kennenzulernen«, sagte Holly.
Dad nahm von dem Mann am Tresen seine Tüte entgegen und drehte sich dann wieder zu uns um. »Gehen Sie in New York zur Schule?«, fragte er.
»Ich fange im September an der NYU an.«
»Sie kommt ins erste Semester«, sagte ich.
Er nickte und wandte sich dann zur Tür. »Dann haben Sie ja jemanden, der sich da schon auskennt und Ihnen alles zeigen kann. Jackson ist gut in so was.«
Ich beschloss, einen letzten Versuch zu unternehmen. »Ich komme wahrscheinlich erst sehr spät nach Hause, wenn du nichts dagegen hast …«
Dad schaute sich nicht mal mehr um. »Kein Problem.«
Ich atmete tief ein und fuhr mir mit den Fingern durchs Haar.
»Das war ja merkwürdig«, sagte Holly.
Ich fuhr zu ihr herum. »Er arbeitet in dem Gebäude auf der anderen Straßenseite. Eigentlich war er sogar derjenige, der mir von dem Laden hier erzählt hat.«
»Das meinte ich nicht. Ich rede von … äh …«
Ich ließ den Blick sinken. »Schon klar.«
Sie musste bemerkt haben, dass ich dringend das Thema wechseln wollte. »Also, worüber reden wir denn?«
»Was ist mit Daniel oder Donny passiert? Oder wie er auch immer heißt.«
Sie unterdrückte ein Lächeln. »David, aber das weißt du doch. Und ist es nicht schlechter Stil, über seinen Ex zu reden, während man eine Date mit einem anderen hat?«
»Na ja, das hier ist ja kein Date, also verletzt du auch keine Regeln«, sagte ich.
Das war normalerweise nichts, worüber ich Einzelheiten erfragt hätte, aber es war so schwer, aus Holly schlau zu werden, ohne zu wissen, mit was für einer Art Junge sie es ein Jahr lang ausgehalten hatte. Ich konnte mir in dem Alter nicht mal vorstellen, so lange mit jemandem zusammen zu sein. Meine längste Beziehung hatte einen Monat gedauert, und das Mädchen war zwei Wochen davon außer Landes gewesen.
»Nichts Aufregendes. Eigentlich nur das Übliche. Irgendwann stellt man einfach fest, dass man nicht mehr zusammenpasst, wenn man sich nach der Highschool weiterentwickelt.«
»Kann
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