Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
fanden wir einen schönen Platz im Gras. Rechts neben den Schaukeln breitete Holly ihre Decke aus.
»Früher stand in unserem Garten auch so eine Schaukel, aber zum Schaukeln hab ich sie fast nie benutzt.«
»Was hast du denn dann damit gemacht?«, fragte ich.
»Schau mal zu.« Sie kletterte seitlich an dem roten Metallpfosten hoch und hangelte sich an der Querstange entlang. Dann schob sie ihr Kinn bis zur Stange hoch, schwang ihren Körper darüber und plötzlich war ihr Oberkörper über der Stange und ihre Beine baumelten herab.
»Super, lass mich auch mal probieren.«
»Nur zu.«
Ich machte einen Klimmzug, wie sie es gemacht hatte, und schwang meinen Körper über die Stange. »Nicht so schwer, wie ich gedacht hatte.«
»Du bist ganz schön gut. Du solltest dir von Toby mal ein paar Sachen am Reck zeigen lassen.«
Ich sprang zurück ins Gras und erwartete, dass Holly dasselbe tat. Doch stattdessen schwang sie ein Bein über die Stange und kam seitlich darauf zum Stehen.
»Holly, ich glaube nicht …«
»Entspann dich, das mach ich schon seit meinem fünften Lebensjahr.« Sie vollführte eine Drehung und lief quer oben über die Schaukel, wobei ihre Zehen sich um die Stange schmiegten. Ich sah die ganze Zeit vor mir, wie sie herunterfiel und ihr Kopf auf dem harten Boden aufschlug.
»Du machst mir echt Angst. Kannst du bitte runterkommen?«, flehte ich.
»Als ich das zum ersten Mal gemacht habe, stand meine Mutter am Küchenfenster und hat Geschirr abgewaschen. Als sie aus dem Fenster guckte und mich sah, kam sie ganz schnell angerannt und schrie, ich solle da runterkommen. Was ich auch tat, und dann musste ich den ganzen Abend in der Ecke stehen.« Sie hängte sich wieder an die Stange, schwang ein paarmal vor und zurück, machte einen Rückwärtssalto und landete leichtfüßig auf der Erde.
Ich seufzte vor Erleichterung, und sie lachte.
»Mir ist echt fast das Herz stehengeblieben. Du bist ja wie ein wildes Äffchen.« Sie kam näher, und sobald sie in Reichweite war, nahm ich ihre Hand und zog sie zur Decke. »Setz dich hin. Bitte.«
Sie verdrehte die Augen, setzte sich aber. Ich streckte mich lang aus und schaute durch die Bäume in den Himmel. Holly legte sich neben mich. »Geht es dir besser?«, fragte sie. »Diese Magengrippe ist echt fies.«
»Allerdings. Aber ich hatte auch echt einen üblen Tag erwischt.« Ich drehte mich auf die Seite und schaute sie an. »Darf ich dich was fragen?«
»Du darfst.«
»Was würdest du tun, wenn du irgendwas noch mal machen könntest? Zum Beispiel eine Situation noch mal neu durchleben, in der du Mist gebaut hast oder die du gern in guter Erinnerung behalten möchtest. Was würdest du tun?«
Sie wandte sich mir zu. »Wie kommst du denn plötzlich auf so was? Die Frage ist ziemlich vage und daher schwer zu beantworten.«
Ich stützte mich auf die Ellbogen. »Ich hatte neulich so einen Traum. Er handelte von einer Situation, in der ich mich meiner Schwester gegenüber total unfair verhalten habe.«
»Was hast du gemacht?«
»Ich hab einem Freund eine peinliche Geschichte über sie erzählt, die er so ziemlich in der ganzen Schule weitergetratscht hat. Da waren wir ungefähr zwölf, schätze ich, und ich wollte bei den anderen Jungs Eindruck schinden.«
»Was für eine peinliche Geschichte denn? Wenn es so was war, wie dass sie mit drei in die Hose gemacht hat, finde ich es nicht so schlimm.«
Ich kräuselte die Nase. »Es hatte was mit Blähungen zu tun und bezog sich keineswegs auf eine Zeit, die lange zurücklag, sondern eher … wenige Tage.«
Holly schlug die Hand vor den Mund. »Wow. Das ist schon ziemlich übel.«
Ich lächelte sie an. »Ich weiß. Jedenfalls war ich in meinem Traum noch mal in derselben Situation, aber in meinem jetzigen Alter. Ich wusste, dass ich verhindern konnte, dass es passierte, aber weiter hätte sich nichts geändert, weder heute noch an dem Tag, nachdem es passierte.«
»Weil deine Schwester von deinem Sinneswandel gar nichts mitbekommen hätte?«
»Genau.«
Holly schwieg eine Weile, bevor sie antwortete: »Ich finde, es hat was Nobles, wenn man versucht, es in Ordnung zu bringen.«
»Ich würde es ja gar nicht wirklich in Ordnung bringen.«
»Manchmal ist es eben schwierig, das Richtige zu tun. Je mehr man es übt, desto leichter wird es. Auch wenn es nur ein Traum ist.«
Ich rollte mich wieder auf den Rücken. »Vielleicht hast du recht.«
Sie rutschte näher zu mir hin, knetete dann aber ihre Hände,
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