Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
und ging weg, als spürte sie, dass wir ein bisschen allein sein mussten. Holly schaute Jana nach und sah aus, als wollte sie am liebsten hinter ihr herlaufen, aber ich streckte den Arm aus, um sie aufzuhalten.
»Das mit heute Morgen tut mir total leid. Ich hatte keine Ahnung, dass so was passieren würde.«
Sie starrte auf meine Finger, die nun sanft um ihren Bizeps lagen. Ihr gesamter Körper spannte sich an. »Mir geht’s gut. Wirklich, ist nicht so wild. Und ich erzähle es niemandem, ich schwöre.«
Sie duckte sich unter meinem Arm durch und war weg, bevor ich etwas erwidern konnte. Mike trat aus seinem Büro und klatschte laut in die Hände. »Geh malern, Jackson! Ich kann es gar nicht erwarten, das fertige Werk zu sehen.«
Mir blieb keine andere Wahl; ich musste wieder an die Arbeit gehen. Während Hollys Unterricht schaute ich dauernd zu ihr hin und sah, dass sie nervlich völlig am Ende war. Ich wollte einfach wieder mit ihr im Gras liegen und mich so entspannt fühlen wie schon lange nicht mehr. Den restlichen Nachmittag hielt ich den Blick auf die Wand vor mir gerichtet.
»Hey, Holly, hast du Lust, heute Abend zur Party meiner Eltern zu kommen?«, rief Jana quer durchs Studio, als sie am Ende des Tages die Matten wegräumten. »Du kannst auch kommen, Jackson.«
Ich kletterte die Leiter runter, damit ich ihr antworten konnte. »Tut mir leid, aber ich hab hier noch eine Weile zu tun, und ich bin ziemlich fertig. Wahrscheinlich fahre ich einfach nach Hause und penne. Aber danke für die Einladung.«
»Ich komme vielleicht«, sagte Holly, als Jana näher bei ihr stand.
Jana wühlte in ihrer Tasche und zog ihre Schlüssel heraus. »Super. Komm einfach vorbei, wenn du soweit bist.«
»Gehst du schon?«, fragte Holly mit einem panischen Unterton in der Stimme. »Ich muss noch meine Noten und Beurteilungen eintragen. Ich hab Mike versprochen, dass ich sie ihm auf den Schreibtisch lege.«
Jana hatte uns bereits den Rücken zugewandt und das Handy am Ohr. »Dann mach das noch und komm nach. Ich muss los. Meine Mutter ist jetzt schon sauer, dass ich noch nicht zu Hause bin.«
In der Sekunde, in der Jana das Studio verließ, rannte Holly auf die andere Seite des Raums, setzte sich unter die Schwebebalken und kritzelte frenetisch auf das oberste Blatt von einem riesigen Stapel von Formularen.
Ich seufzte und stieg die Leiter wieder hoch. Es würde keine leichte Aufgabe werden, wieder in Hollys Nähe vorzudringen. Im Grunde hatte ich sie in fast jeder Hinsicht belogen.
Als ich nach dem großen Eimer mit roter Farbe griff, der seitlich an der Leiter hing, schaute ich flüchtig über die Schulter in ihre Richtung. Dabei verlor ich das Gleichgewicht, und nur Sekunden später fiel ich herunter. Ich landete flach auf dem Rücken, die Leiter fiel quer über meinen Bauch, und der Eimer mit roter Farbe kippte über meine Füße und spritzte in alle Richtungen.
»O mein Gott!«, hörte ich Holly sagen, und im nächsten Moment stand sie neben mir und richtete die Leiter wieder auf. »Alles in Ordnung?«
Ich nickte, aber ich bekam erst einmal keine Luft und konnte nicht sprechen.
Sie beugte sich weiter herunter und betrachtete forschend mein Gesicht. »Kannst du dich aufsetzen?«
Langsam zog ich mich hoch und versuchte, ein paar kurze Atemzüge zu tun. »Wir wussten doch alle, dass ich früher oder später von der Leiter fallen würde, oder?«
Sie lächelte und schaute sich dann stirnrunzelnd um. »Mike kriegt einen Herzinfarkt.«
Ich wischte mir mit dem unteren Teil meines Shirts die Farbspritzer aus dem Gesicht, damit ich den Schaden begutachten konnte. Es sah aus wie nach einem blutigen Massaker. »Mist, du hast recht. Gut, dass ich Plastikfolie ausgelegt habe.«
Holly stand auf. »Ich hole Papiertücher aus dem Materialschrank. Jede Menge, würde ich sagen.«
Wir arbeiteten beide mindestens eine halbe Stunde schweigend daran, die Wände abzuschrubben, die Plastikfolie aufzuwickeln und neue auszulegen. Wenigstens wehrte sie sich nicht dagegen, sich mir bis auf wenige Meter zu nähern. Das war schon mal ein kleiner Fortschritt.
»Danke, dass du mir hilfst«, sagte ich nach einer Weile.
Sie wischte sich mit dem Arm den Schweiß von der Stirn, was rote Streifen darauf hinterließ. »Ist ja nicht deine Schuld, dass du in diesem Job voll versagst.«
»Wie meinst du das?«
»Diese Frau, die dem verrückten Typen ins Gesicht getreten hat … Sie hat noch mit mir geredet, nachdem dein Vater mich rausgelassen
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