Sturz in die Zeit: Roman (German Edition)
»Alles in Ordnung mit ihm?«
»Ihm geht’s gut, aber er ist ein wenig überrascht, dass du unser Gespräch belauschen konntest. Wir haben nämlich alle Farsi gesprochen«, sagte Marshall.
»Was?«, fragte ich und wich vor Melvin zurück. »Farsi?«
»Es hat innerhalb von einer Nacht seine Wirkung entfaltet! Unglaublich«, sagte Dr. Melvin.
Marshall zog die Augenbrauen hoch und sah dabei Dad an. »Endlich. Nachdem wir Millionen von Dollar für Axelle ausgegeben haben, können wir jetzt endlich davon profitieren.«
Axelle?
Diesmal hörte ich den Unterschied im Klang. Er sprach kein Englisch. Meine Handflächen waren schweißnass, und ich musste sie an der Anzughose abwischen, die ich immer noch vom Abend davor trug. »Was zum Teufel habt ihr mit mir gemacht? Habt ihr mir irgendeinen hirnerweichenden elektromagnetischen Mist gegeben?«
Dr. Melvin wühlte in einer Schublade herum und holte eine Pinzette heraus. Dann kam er näher und zeigte damit auf mein rechtes Auge. »Halt mal eine Sekunde still.«
Er führte die Pinzette in mein Ohr und zog ein winziges Metallstück heraus. Ich schaute es an, als hätte er mir gerade eine Kakerlake aus dem Ohr geholt. Ich fühlte mich schmutzig. Verunreinigt.
»Dieses Teil hier spielt Töne ab, während du schläfst. Ich habe es so programmiert, dass es dich in fremden Sprachen unterrichtet. Es ist nur eine Audio-Aufnahme«, sagte Dr. Melvin in diesem ruhigen Ton, den ich so gut aus jahrelangen Kindheitserinnerungen mit diesem Mann kannte. »Das ist wie diese Diagramme, die du dir gestern angesehen hast … das fotografische Gedächtnis, nur dass es über das Gehör funktioniert.«
»Aber wie kann ich eine Sprache verstehen, die ich nie gelernt habe? Ich kann nichts auf Farsi sagen. Es klang nicht mal anders, bevor Sie es mir gesagt haben.« Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar und versuchte mich darauf zu konzentrieren, Informationen zu bekommen. Nimm jetzt so viel wie möglich in dich auf, verarbeite später. Und spar dir auch die Panik für später auf.
»Du kannst die Sprache nicht sprechen, weil das Sprechen eine motorische Fertigkeit ist. Du musst üben, Wörter zu bilden, wie du übst, einen Baseball zu werfen oder wie du Fahrrad fahren gelernt hast, als du sechs warst«, erklärte Melvin.
»Es bedeutet einfach nur, dass du Informationen aufsaugen kannst wie ein Schwamm. Du kannst nichts lernen, worin du nicht unterrichtet wurdest. Du hast zwar eine überdurchschnittliche Intelligenz, aber nicht annähernd den IQ eines Genies«, fügte Dad hinzu. »Da gibt es einen Unterschied.«
»Das erleichtert mich«, murmelte ich. »Ist das also das Experiment – Axelle oder wie Sie das nennen –, Sie spielen einfach nur Sachen in meinem Ohr ab?«
Melvin blickte Dad an, der Marshall anschaute, der auf seine Uhr sah, bevor er sagte: »Wir haben keine Zeit für so was. Lasst uns einfach zusehen, wie er sich aus dieser Situation herauswindet.«
»Wer? Ich?«, fragte ich. »Welche Situation?«
Dad sprang von seinem Stuhl auf. »Ich hab was im Flur gehört.«
Ich rannte los, bevor sich irgendwer von ihnen bewegen konnte, aber ich hörte, dass sie hinter mir herliefen. Holly kam aus dem Fernsehzimmer gestolpert und rieb sich die Augen. Als sie uns alle sah, blieb sie stehen. »Oh … ich wollte gerade nachsehen, wo du hingegangen bist«, sagte sie zu mir.
Irgendwie sah sie merkwürdig aus. Sie tastete mit der Hand umher, bis sie die Wand vor sich fand, dann lehnte sie ihre Stirn daran. Ich legte meine Hände auf ihre Schultern. »Holly, ist alles in Ordnung mit dir?«
»Hm?«, murmelte sie.
»Das sind die Drogen«, sagte Melvin.
»Welche Drogen?«, fragte ich wütend und versuchte mich umzudrehen, aber Holly kippte zur Seite, und ich musste sie festhalten.
»Das entspricht dem Protokoll und dient nur zu ihrem Schutz«, sagte Marshall.
»Ist mir egal, ob das dem Protokoll entspricht!« Ich sah Dad wütend an. »Ich fasse es nicht, dass du sie das tun lässt.«
Ich hob Holly in meine Arme. Ihre Augen waren kaum noch geöffnet, und sie tastete weiter um sich. Ihre Fingerspitzen strichen über mein Gesicht und drückten sich schließlich in meine Wange.
Ich drehte ihnen den Rücken zu und führte Holly zum Fernsehzimmer.
»Sie ist der nächste Name, Jackson«, sagte Dad so leise, dass ich es kaum hören konnte. »Der nächste Name auf Marshalls Liste.«
Ich hatte das Gefühl, dass mich sämtliche Kraft verließ. Langsam drehte ich mich um. »Jemand will ihr
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