Sturz ins Glück
ist auf dem Weg zu uns. Bald hast du eine neue Hauslehrerin, die dich unterrichtet und ganz viel mit dir spielt. Freust du dich?“
Das Mädchen schaute ihm nicht einmal in die Augen. Sie zuckte einfach nur die Schultern und stocherte in ihrem Essen herum.
Gideon ließ sich nicht verunsichern und sprach einfach weiter. „Wir werden drei Damen hier haben und ich hoffe, dass du mir sagen wirst, welche du am liebsten hast.“
Ihre Augenbrauen hoben sich ein wenig, als sie den Kopf ein ganz klein wenig nach links legte. Bei den meisten Kindern hätte man so eine winzige Bewegung überhaupt nicht bemerkt, doch für Isabella war das schon fast ein Gefühlsausbruch. Sie schien sehr interessiert zu sein. Langsam richtete sie ihre Augen auf ihn und tippte sich mit dem Finger an die Brust.
Gideon zwinkerte ihr zu. „Ich finde, du solltest bei der Entscheidung ein großes Mitspracherecht haben, da du ja die meiste Zeit mit ihr verbringen wirst. Meinst du, du kannst so eine wichtige Entscheidung treffen?“
Sie dachte einen Augenblick lang nach, dann nickte sie.
„Wunderbar.“
Isabella hob ihren Teller leicht an und warf ihm einen fragenden Blick zu, ihre Art zu fragen, ob sie vom Tisch aufstehen durfte. Gideon versteckte seine Enttäuschung.
„Ja, Liebes. Du kannst spielen gehen. In ein paar Minuten kann ich dir noch eine Geschichte vorlesen.“
Sie schlüpfte aus dem Zimmer, ohne ein Geräusch zu machen. Ihre goldenen Locken hüpften nicht. Ihre Schuhe quietschten nicht. Kinder sollten nicht schleichen. Sie sollten hüpfen und laut rufen. Er würde alles dafür geben, sie lächeln zu sehen. Er hatte erwartet, dass ihre Trauer irgendwann verschwinden würde, doch Isabella hatte sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen. Und bisher hatte er noch nicht herausgefunden, wie er an sie herankommen konnte.
Als Gideon mit ihr hier angekommen war, hatte er sehr viel arbeiten müssen und sie stets ermuntert, bei ihm zu sein. Er hatte gehofft, dass sie sich bald wohlfühlen und neugierig ihre Umgebung erkunden würde, aber sie schien sich von Tag zu Tag mehr zurückzuziehen. Dann hatten die Schafe angefangen zu lammen, sodass er Isabella bei den Chalmers hatte lassen müssen. Mrs Chalmers hatte immer wieder beteuert, dass die Kleine nicht störte. Sie saß in der Ecke, blätterte in einem Bilderbuch oder spielte still mit ihrer Puppe. Aber genau das war ja das Problem. Man konnte sie leicht übersehen. Sie brauchte jemanden, der sich nur um sie kümmerte und nicht von anderen Aufgaben abgelenkt wurde. Jemand, der sie aus ihrer Stille holte und ihr ihre Lebensfreude zurückgab. Was sie wirklich brauchte, war ein Wunder.
* * *
Wunder hatte es in ihrem Leben nicht oft gegeben, aber wenn sie es schaffte, diese Anstellung zu bekommen, würde aller Dank dem Allmächtigen gebühren. Adelaide lehnte sich gegen die Wand der geschlossenen Kutsche, als diese zum wiederholten Male über einen Stein schaukelte. In den letzten beiden Tagen war die Reise für sie angenehmer gewesen, da sie auf Saba geritten war, doch auf diesem letzten Abschnitt der Fahrt wollte sie sich angemessener fortbewegen. Die anderen beiden Damen, die sich um die Arbeitsstelle bewarben, waren kultivierte Ladys aus dem Osten, die bisher noch nie in Texas gewesen waren. Sie hatten Adelaide fassungslos angestarrt, als sie sie am ersten Tag in ihrem Reitkleid gesehen hatten. Sie hatten nicht glauben können, dass sie ritt. Auf einem Pferd. Rittlings. Oh Graus!
Es stimmte, dass die meisten Damen in dieser Gegend ihr Pferd mit Damensattel ritten, wenn sie sich überhaupt in die Nähe eines so großen Tieres trauten. Doch als Tochter eines Farmers, die mit Pferden praktisch aufgewachsen war, hatte sie die Vorzüge dieses Reitstils nie erkennen können. Ihr Reitkleid umhüllte ihren Körper züchtig, doch Adelaide wusste, dass die anderen beiden Damen sie für unanständig hielten. Es würde ihr nichts bringen, wenn ihr hoffentlich zukünftiger Arbeitgeber das Gleiche von ihr dachte.
„Mr Bevin, ich dachte, Sie hätten gesagt, wir würden Mr Westcotts Anwesen noch vor dem Mittagessen erreichen.“ Mrs Carmichaels schrille Stimme zerrte an Adelaides Nerven. „Meine innere Uhr sagt mir, dass wir die Zeit schon lange überschritten haben. Außerdem können Sie nicht von uns verlangen, noch länger durch diese drückende Hitze zu fahren. Wir müssen unverzüglich an Geschwindigkeit zulegen.“
Adelaide schnaufte belustigt. Es war ein wunderbarer Tag. Blauer Himmel.
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