Sturz ins Glück
Vater nicht in eine so vornehme Weste gehüllt gewesen, aber sie fühlte sich immer wohler.
„Sind Sie denn für diese Position qualifiziert, Miss Proctor?“
„Ja, Sir.“ Sie holte ihre Referenzen hervor und schob ihm die Papiere über den Schreibtisch hinweg zu. „Ich habe 1880 meinen Abschluss am Bostoner Lehrerseminar gemacht und dann zwei Jahre in Cisco, Texas, unterrichtet.“
Sie schloss ihre Handtasche so ungeschickt, dass die Metallschnalle ihre Haut einklemmte. Als Mr Bevin ihre Empfehlungsschreiben gelesen hatte, waren die Tränen wieder aus ihren Augen verschwunden.
„Ihre Kollegen und Vorgesetzten haben eine hohe Meinung von Ihnen, sowohl fachlich als auch menschlich.“ Er ließ die Briefe sinken und sah sie über den Schreibtisch hinweg an. „Es hört sich an, als hätte man sich gewünscht, dass Sie in Cisco bleiben. Darf ich fragen, warum Sie von dort weggegangen sind?“
„Ich dachte, ich würde heiraten.“
Als die Worte ihren Mund verlassen hatten, hätte Adelaide sie am liebsten umgehend wieder eingefangen. Die Aufregung musste ihren Verstand verwirrt haben. Jeder halbwegs normale Mensch hätte doch einfach nur persönliche Gründe angegeben und das nicht weiter ausgeführt. Warum hatte sie sich nicht zwei Sekunden Zeit genommen, um nachzudenken und eine angemessene Antwort zu finden, anstatt den ersten Gedanken hinauszuposaunen, der ihr in den Sinn kam?
„Dann gehe ich davon aus, dass daraus nichts geworden ist?“ Sein Tonfall klang ein bisschen neugierig, doch nicht nach Mitleid, und dafür war sie ihm dankbar.
„Gott scheint andere Pläne für mich zu haben“, sagte sie und hoffte, dass er das Zittern in ihrer Stimme nicht bemerken würde.
„Ach, Sie sind also gläubig. Mr Westcott bevorzugt es, Christen einzustellen. Das wird Ihnen zugutekommen.“ Er stützte die Hände auf die Schreibtischkante und erhob sich. „Es gibt zwei andere Bewerberinnen, die ich für geeignet halte. Doch Mr Westcott besteht darauf, dass er die entscheidenden Gespräche selbst führt – nachdem er gesehen hat, wie jede Bewerberin mit seiner Tochter umgeht. Wir nehmen den Acht-Uhr-Zug morgen früh. Wenn Sie immer noch interessiert sind, stelle ich Ihnen ein Ticket zur Verfügung.“
Er streckte ihr die Hand entgegen und half ihr beim Aufstehen. Nachdem Adelaide sich bei Gott über seine langsame Vorgehensweise und die Geduld beschwert hatte, die sie in den letzten Wochen hatte aufbringen müssen, war sie nun fast überwältigt von der Geschwindigkeit, mit der die Dinge um sie herum geschahen.
„Ich muss mich nur noch um eine sichere Fahrt für Saba bemühen“, sagte sie und versuchte, ihre Gedanken zu sortieren.
Mr Bevin hob eine Augenbraue. „Sagen Sie mir bitte nicht, dass Sie ein Kind haben, Miss Proctor.“
Benommen versuchte sie, seinen Worten einen Sinn zu entnehmen. „Ein Kind? Nein, Sir. Ich habe ein Pferd.“
Nach einem sprachlosen Moment lachte er so laut auf, dass die Wände zu wackeln schienen. „Ein Pferd, sagt sie. Ha! Nun, Miss Proctor, ich empfehle Ihnen, das Tier entweder zu verkaufen oder so lange unterzustellen, bis Mr Westcott seine Entscheidung getroffen hat. Er –“
„Ich bezahle die Fahrt natürlich.“ Sie kramte in ihrer Tasche nach dem erforderlichen Geld. „Saba kommt mit mir.“
Sie hielt ihm die Münzen hin und wartete auf seine Reaktion. Er legte den Kopf zur Seite, musterte sie einen Augenblick und nahm dann das Geld entgegen.
„Nun gut. Ich kümmere mich darum.“ Er trat an ihr vorbei und legte die Hand auf den Türknauf. „Mit dem Zug können wir nur die halbe Strecke fahren. Danach müssen wir noch ein paar Tage über Land reisen. Ein Ersatzpferd wird uns sicher dienlich sein.“
„Danke, Mr Bevin.“
Er öffnete die Tür zum Vorzimmer. Zum ersten Mal seit vielen Minuten konnte Adelaide wieder tief durchatmen.
„Ach, Miss Proctor? Da gibt es noch eine Sache.“
Sie wandte sich um, um ihn anzuschauen. „Ja?“
„Sollte sich Mr Westcott für Sie entscheiden, machen Sie sich auf eine schwierige Aufgabe gefasst.“
Vielleicht war seine Tochter ein Wirbelwind, der seine Gouvernanten bisher mit Eidechsen und Schlangen terrorisiert hatte. Doch durch so etwas würde Adelaide sich mit Sicherheit nicht abschrecken lassen. Sie war auf einer Farm groß geworden, also gab es nichts, was sie erschrecken konnte.
„Mit ein paar Kinderstreichen komme ich schon zurecht“, gab sie voller Selbstbewusstsein zurück.
„Es sind keine Kinderstreiche,
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