Sturz ins Glück
darauf geeinigt hatten, dass du die besten zwei auswählst.“
James zog sich einen Stuhl heran und setzte sich Gideon gegenüber. Er streckte seine langen Beine aus. „Gid, ich sage dir, es war, als hätte eine göttliche Fügung sie vor meiner Tür abgestellt. Wir hatten diese Anzeige zwei Wochen lang geschaltet und ich habe mehr als ein Dutzend Bewerberinnen aussortiert, um die beiden erfahrensten ausfindig zu machen, wie wir es abgesprochen hatten. Ich hatte sogar schon die Zugtickets reserviert. Wir waren so gut wie auf dem Weg zu dir. Dann stand plötzlich Miss Proctor in meinem Büro, stutzte Mr Lyons gekonnt zurecht und wickelte mich im Nullkommanichts um den kleinen Finger. Ich kann nicht erklären, wie das vonstattengegangen ist, aber irgendwie wusste ich vom ersten Augenblick an, dass sie genau die Richtige für den Job ist.“
Gideon wusste nicht, was er erwidern sollte. Nachdem er gesehen hatte, wie Miss Proctor mit Isabella umgegangen war, konnte er nicht leugnen, dass sie eine ganz besondere Gabe hatte. Sein Gefühl stimmte all dem zu, was James vorgebracht hatte. Aber konnte er seinen Instinkten vertrauen? Er war noch nie Vater gewesen und wusste nicht, was das Beste für ein kleines Mädchen wie Isabella war. Wäre es nicht klüger, die Gefühle aus dem Spiel zu lassen und eine vernunftbestimmte rationale Entscheidung aufgrund der Fakten zu treffen?
Er lehnte sich wieder nach vorne und blätterte in den Dokumenten auf dem Tisch, bis er gefunden hatte, was er suchte. „Hier steht, dass sie bis vor einem Monat in einer Schule in Cisco unterreichtet hat. Wie hat sie überhaupt von der Stelle hier erfahren?“
„Fügung, vermute ich“, antwortete James. „Sie war erst einen Tag in der Stadt, anscheinend wegen einer … Privatangelegenheit, als sie eine alte Gazette fand. Ich glaube nicht, dass sie überhaupt auf das Datum geachtet hat.“
James’ Andeutung über die Privatangelegenheit entging Gideons Aufmerksamkeit nicht. Er musterte seinen Freund. Er war einer der wenigen Menschen, denen Gideon uneingeschränkt vertraute. Er hätte ihm Miss Proctor nicht empfohlen, wenn es irgendetwas Skandalöses über sie zu berichten gäbe. Doch seine Neugierde war geweckt. Wovor lief eine solche Frau davon?
„Du solltest sie anstellen.“ James’ Gesicht hatte jegliche Spur von Belustigung verloren. „Vertrau deinem Gefühl. Ach was, vertrau meinem Gefühl. Wenn sie sich als ungeeignet herausstellt, kannst du es mir in die Schuhe schieben.“ Schon schien ihm der Schalk wieder im Nacken zu sitzen. „Natürlich will ich auch deinen unendlichen Dank, wenn sie deine Erwartungen übertreffen sollte.“
Gideon schüttelte ergeben seinen Kopf. „Nun, ich habe Isabella sowieso gesagt, dass sie ein Mitspracherecht hat. Und da auch du für Miss Proctor bist, bin ich doch längst überstimmt.“
„Du wolltest doch nicht wirklich eine von den anderen beiden nehmen?“
„Die Wahrheit ist, dass ich beim besten Willen nicht wusste, was ich tun sollte.“ Gideon ließ die Hände sinken. „Gut. Ich gebe ihr eine Chance. Aber halte Mrs Carmichael und Miss Oliver bei der Stange. Vielleicht brauche ich sie noch, wenn Miss Proctor versagt.“
Gideon sammelte die Unterlagen zu einem ordentlichen Stapel zusammen. Nachdem er sie beiseitegelegt hatte, wandte er sich wieder James zu. „Und jetzt zu einer anderen Angelegenheit. Hat sich die Sache erledigt?“
James zog ein Bündel Papiere aus der Tasche und warf es auf den Schreibtisch. „Ja, endlich. Das Gericht hat zu unseren Gunsten entschieden. Isabella darf bei dir bleiben.“
„Gott sei Dank.“ Gideon hatte an diesem Ausgang nicht gezweifelt. Er wusste, dass sie im Recht waren und legal gesehen auf sicherem Grund standen. Trotzdem war er jetzt mehr als erleichtert, die offizielle Bestätigung zu erhalten. „Und was ist mit deinen Nachforschungen?“
„Dein Mann in London hat mit seinen Informationen über Lord Petchey so viel Schmutz aufgewirbelt, dass ich das Gefühl hatte, erst einmal ein langes Bad nehmen zu müssen. Der Schuft ist bis über beide Ohren verschuldet, spielt in den heruntergekommensten Klubs, treibt sich in Bordellen herum und hat sogar sein Pferd zu Tode geritten, um bei einer Wette zu gewinnen.“ James schüttelte fassungslos den Kopf. „Ich habe mich immer gefragt, warum Lady Petchey dich als Vormund von Isabella eingesetzt hat, wo die Kleine doch noch Verwandte in England hat, aber jetzt verstehe ich sie. Ihr Ehemann, der
Weitere Kostenlose Bücher