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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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oben in den dritten Stock, die Arme voller Schreibhefte und Malsachen. Hatte sie sich diesen Augenblick in der Küche nur eingebildet? Nein. Der Ausdruck auf Gideons Gesicht, als seine Tochter geredet hatte, hatte sich tief in Adelaides Erinnerung eingebrannt. Vielleicht hatte Isabellas Nickerchen sie die Sache wieder vergessen lassen. Es wäre ein Segen, wenn die Kleine sich nicht mehr an das erinnern müsste, was offenbar durch den Anblick von Miguels blutigem Hemd in ihr wachgerufen worden war. Aber hatte sie auch vergessen, dass sie gesprochen hatte? Es wäre immerhin als Adelaides Verdienst zu werten gewesen. Musste sie ihren Erfolg, durch Isabellas Wand des Schweigens gebrochen zu sein, auch vergessen? Das erschien ihr irgendwie ungerecht.
    Als Isabella aufgewacht war, hatte Adelaide Jane Austens Emma beiseitegelegt und das Mädchen mit Fragen bestürmt. Aber zu ihrer Bestürzung hatte die Kleine nur mit Gesten und Handbewegungen geantwortet. Nach einer halbe Stunde hatte Adelaide aufgegeben.
    Jetzt hielt Isabella ihr die Tür auf, während Adelaide den großen Lagerraum am Ende der Treppe betrat. Es war eher ein Dachboden als ein vollständiges Stockwerk, denn an einer Seite reichte die Dachschräge bis auf den Boden. Doch ein paar Sprossenfenster ließen viel Sonnenlicht herein, wodurch der Raum freundlich wirkte.
    Die Schreibhefte flatterten zu Boden, als Adelaide ihren Stapel in der Ecke ablud. Nachdem sie sich erhoben hatte, streckte sie sich, um ihre Muskeln zu entspannen, und sah sich genauer im Raum um. Die Staubmonster mussten die Möbel weggetragen haben, denn außer einigen Bücherstapeln, von denen Mr Westcott berichtet hatte, gab es hier oben nur zwei große Koffer, die an der einen Wand standen. Auch die Spinnwebengardinen vor den Fenstern sahen düster aus, doch Adelaide war bereit, den Kampf aufzunehmen. Gründlich gefegt und mit Seife und Wasser bearbeitet, würde dieser Raum ein hervorragendes Klassenzimmer abgeben.
    Adelaide schritt durch das Zimmer und plante in Gedanken, wo sie Isabellas und ihren eigenen Schreibtisch aufstellen könnte, um das Tageslicht am besten zu nutzen. Für Regentage würden sie bestimmt eine Lampe brauchen. Außerdem würde sie Mr Westcott darum bitten müssen, einen Ofen für die kälteren Tage anzuschaffen. Gedankenverloren strich Adelaide über das Holz der Decke, die sich nur einige Zentimeter über ihrem Kopf befand. Sie musste lächeln. Zum ersten Mal in ihrem Leben kam es ihr wirklich zugute, dass sie so klein war. An den meisten Stellen des Raumes konnte sie stehen, ohne sich bücken zu müssen.
    Aus dem Augenwinkel sah Adelaide, wie Isabella in die Nische eines Fensters kletterte. Die quadratische Öffnung hatte die perfekte Größe für ein kleines Mädchen, das an einem sonnigen Nachmittag seinen Tagträumen nachhängen wollte. Doch leider sah die Kleine so aus, als hätte sie nicht nur ihre Sprache verloren, sondern auch ihre Fähigkeit zu träumen.
    Nun, als ihre Lehrerin musste Adelaide dieses Problem so schnell wie möglich beheben. Ohne eine gewisse Anzahl an Luftschlössern und mutigen Helden, die gegen Drachen kämpften, um Prinzessinnen zu retten, konnte kein Mädchen eine glückliche Kindheit haben. Ein Lächeln umspielte Adelaides Lippen. Wie oft hatte sie selbst sich vorgestellt, ihr Pony sei ein mächtiger Drache und sie flöge auf seinem Rücken über das Land?
    Als sie älter geworden war, hatte sie sich natürlich weniger für den Drachen als vielmehr für den mutigen Prinzen interessiert. Doch darum ging es hier jetzt nicht. Es war wichtig, dass Isabella wieder träumen konnte, so tun konnte, als ob. Das Leben hatte ihr in letzter Zeit übel mitgespielt. Adelaide war sich sicher, dass es dem Mädchen guttun würde, wenn es sich ab und an in eine Traumwelt zurückziehen konnte. Vielleicht würde sie dann endlich wieder lächeln können.
    „An die vorderste Front, Gefreite Izzy!“ Adelaide stampfte militärisch auf und stand stramm.
    Isabella fuhr abrupt zu ihr herum. Der Gesichtsausdruck des Mädchens zeigte Verwirrung. Adelaide verließ ihre Pose gerade lang genug, um der Kleinen zuzuzwinkern und ihr so zu signalisieren, dass es sich nur um ein Spiel handelte.
    „Der dritte Stock von Westcott Cottage steht unter Beschuss und ich brauche jeden verfügbaren Soldaten. Sind Sie bei mir, Gefreite Izzy?“
    Adelaide hielt ihren Atem an, als Isabella sie musterte, als sei sie die Attraktion einer Zirkusshow. Bestimmt überlegte das Mädchen,

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