Sturz ins Glück
verlassen uns auf Sie.“
Das Mädchen nickte und reihte sich dann hinter Adelaide ein, um gemeinsam mit ihr den Gefechtsplatz zu erstürmen.
* * *
Der Nachmittag war schon in den Abend übergegangen, als Gideon müde, hungrig und in Sorge um sein kleines Mädchen auf den Hof zurückkam. Die ganze Zeit über, während er Zäune repariert und Juan geholfen hatte, die Schafe von der Nordweide näher ans Haus zu treiben, hatte er zweifelnd überlegt, ob es eine gute Idee gewesen war, Isabella mit der neuen Hauslehrerin allein zu lassen. Er zweifelte nicht an Miss Proctors Kompetenz, aber nach der Situation in der Küche hätte seine Tochter vielleicht eher ihren Vater gebraucht.
Papa . Allein der Gedanke an dieses Wort ließ sein Herz höherschlagen.
Gideon stieg ab und führte sein Pferd zum Stall. Während er es abrieb und striegelte, hing er seinen Gedanken nach. Würde sie ihn heute Abend noch einmal ansprechen? Er konnte es kaum erwarten, endlich wieder ihr fröhliches Geplapper zu hören.
Mit eiligen Schritten machte er sich nach getaner Arbeit auf in Richtung Haus, wusch sich im Waschraum an der Seite des Hauses und konnte schon von dort aus den köstlichen Duft von Mrs Garretts Rinderbraten riechen. Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als sein Magen voller Vorfreude knurrte.
Doch Gideon wollte erst nach Isabella schauen, deshalb ging er ins Esszimmer, wo seine Tochter um diese Zeit oft Mrs Chalmers beim Decken des Tisches half. Dort traf er tatsächlich seine Haushälterin, aber heute Abend hatte sie keine Hilfe.
Die Frau hob ihren Blick und lächelte ihn an. „Guten Abend, Mr Westcott. Das Essen wird in zwanzig Minuten serviert.“
„Wunderbar.“ Gideon schaute sich suchend um. „Wissen Sie zufällig, wo ich Bella finde?“
Das Lächeln der Haushälterin wurde fröhlicher, als sie ihm zunickte. „Ich glaube, sie und Miss Proctor führen immer noch Krieg auf dem Dachboden, Sir. Das machen sie schon den ganzen Nachmittag.“
Gideons Herz sank. Sie stritten sich? Er hätte nicht gedacht, dass Bella ungehorsam sein würde, und auch Miss Proctor hatte keinen aufbrausenden, streitlustigen Eindruck auf ihn gemacht. Doch wenn die beiden Krieg miteinander führten, wie Mrs Chalmers sagte, mussten sich die Dinge seit heute Morgen sehr geändert haben.
„Ich verstehe.“ Er versuchte, seine Sorge hinter einer ausdruckslosen Maske zu verstecken, doch das war gar nicht nötig. Seine Haushälterin hatte sich wieder den bestickten Decken zugewandt, die sie gerade zusammenlegte. Die Tischwäsche interessierte sie anscheinend mehr als das, was auf dem Dachboden vor sich ging. Doch wenigstens er musste sich sofort um das Wohlergehen seiner Tochter kümmern.
„Wenn Sie mich entschuldigen?“
Ohne auf eine Antwort zu warten, wandte er sich ab und eilte die Treppen hinauf, bis er den Dachboden erreichte. Eine seltsame, einseitige Unterhaltung drang an sein Ohr.
„Auf Ihrer Seite alles gesichert, Gefreite Izzy?“
Zwei Tritte erklangen als Antwort.
„Gut. Unser Feldzug ist fast vorbei. Der Feind wurde vernichtet, unser Nachschub ist organisiert und das Lager entspricht den militärischen Vorschriften. Sie haben wunderbare Arbeit geleistet, Gefreite Izzy. Ich bin stolz darauf, Sie in meinem Regiment zu haben.“
Gideon runzelte die Stirn, als er die oberste Stufe betrat. Es war tatsächlich Kampfvokabular, das die neue Hauslehrerin benutzte, doch ganz anders, als er es erwartet hatte. Kein Zorn. Keine Wutausbrüche. Kein Geschrei. Es klang eher nach Zusammenarbeit. Auf leisen Sohlen trat er an die Tür und linste hinein. Seine Augen wurden groß. Ein glänzend gebohnerter Boden strahlte ihm entgegen, der größtenteils von einem gemütlichen Teppich bedeckt war, den Gideon zuletzt in Miss Proctors Gästezimmer gesehen hatte. An der einen Seite des Raumes stand ein Schreibtisch, auch aus Miss Proctors Zimmer, und an der anderen ein Kindertisch mit passendem Stuhl aus Isabellas Raum. Die Wand wurde von einem Bücherregal eingenommen, zu dessen Seiten sich zwei Tische befanden. Auf einem stand der Globus aus seinem Büro, auf dem anderen eine helle Lampe, deren Gegenstück er eben noch in der Eingangshalle gesehen hatte. Im Regal standen alle Bücher, die er für seine Tochter besorgt hatte. Im untersten Fach lagen leere Schreibhefte, Blöcke und verschiedene Stifte. Außerdem befanden sich dort auch Bellas Farmtiere, die auf ihren Brettchen an einer Schnur durch den Raum gezogen werden konnten.
Gideon
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