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Sturz ins Glück

Sturz ins Glück

Titel: Sturz ins Glück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Witemeyer
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sie ihn wirklich so sehr überrascht? Bevor sie höflich fragen konnte, was ihn so aus der Bahn geworfen hatte, trat die liebenswürdige Frau neben ihn, die ihr gerade noch zu Hilfe hatte kommen wollen.
    „Du kennst diese Frau, mein Lieber?“
    Nannte sie hier jeden Liebe oder Lieber?
    Henry zog langsam ein Tuch aus seiner Westentasche und tupfte seine Brauen ab. „Ja. Miss Proctor ist Lehrerin in Cisco, einem Zwischenhalt auf meiner alten Route. Sie war eine meiner besten Kundinnen. Liebt Romane, wenn ich mich recht entsinne.“
    Er lachte gekünstelt, was Adelaide sich nicht im Mindesten besser fühlen ließ. Ein schmerzhaftes Ziehen hatte sich in ihrem Magen breitgemacht.
    „Ich verstehe.“ Die Frau lächelte warm, aber vorsichtig. Sie streckte ihre rechte Hand aus und legte sie auf die Schulter des kleinen Jungen, der die Erwachsenen mit offenem Mund anstarrte. Dann platzierte sie ihre Linke in Henrys Armbeuge. Wie die Dame im Warteraum es eben bei ihrem Begleiter getan hatte.
    Ein unsichtbares Gewicht legte sich auf Adelaides Brust, bis sie kaum noch atmen konnte. Nein. Bitte, Gott. Das kann doch nicht wahr sein.
    „Es ist mir eine Freude, Sie kennenzulernen, Miss Proctor.“ Die Frau verstärkte den Griff um Henrys Arm. „Ich bin Caroline Belcher. Henrys Ehefrau.“

Kapitel 2
    Die Bibel sagt, dass die Wahrheit eine Person frei mache, doch Adelaide hatte sich noch nie in ihrem Leben gefangener gefühlt. Am liebsten hätte sie Henry ins Gesicht geschlagen und ihm vor die Füße gespuckt. Die Frau am Arm des Mannes, an dessen Seite sie selbst hätte stehen sollen, hätte sie am liebsten erwürgt. Und dann wollte sie noch um ihren zerbrochenen Traum weinen. Doch sie tat nichts dergleichen. Nach allem, was passiert war, war die Frau sehr freundlich zu ihr gewesen. Der Junge, der sie mit großen Augen anstarrte, verdiente es, dass der Glaube an seinen Vater nicht erschüttert wurde. Dass aus dieser Begegnung für sie selbst ein Desaster entstanden war, reichte völlig.
    Adelaide kämpfte gegen die Galle an, die ihr in den Hals stieg, und verzog ihren Mund zu etwas, das hoffentlich wie ein Lächeln wirken würde. „Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, Mrs Belcher.“
    Die Frau nickte freundlich. „Sind Sie länger in der Stadt?“
    „Nein. Meine Angelegenheiten hier haben sich schneller erledigt, als ich angenommen hatte. Ich werde in Kürze wieder abreisen.“
    Am liebsten wäre sie sofort auf Sabas Rücken davongaloppiert. Aber der Anstand gebot, dass sie höflich plauderte und verbarg, dass in ihrem Inneren gleich ein Sturm der Gefühle losbrechen wollte.
    „Wir müssen jetzt wirklich gehen, Caroline. Du weißt, wie viel Büroarbeit zu Hause noch auf mich wartet.“ Die Quelle ihrer Misere wurde zu ihrer Rettung, als Henry seine Familie in Richtung Tür schob. Natürlich sorgte er sich mehr darum, sich selbst zu schützen als sie, doch sie war einfach nur froh, dass sie ihn endlich los war.
    „Guten Abend, Miss Proctor“, rief er noch über die Schulter, ohne ihr in die Augen zu sehen.
    „Auf Wiedersehen, Mr Belcher.“
    In dem Moment, als die Familie die Straße betrat, raffte Adelaide ihren Rock und stürmte die Treppe zu ihrem Zimmer hinauf. Ihr leerer Magen zählte nicht mehr. Die neugierigen Hotelgäste zählten nicht. Die Tatsache, dass sie immer noch die halb zerknüllte Zeitschrift in ihrer Hand hielt, zählte nicht. Alles, was jetzt für sie zählte, war, diesem Ort zu entkommen.
    Als die Zimmertür hinter ihr ins Schloss gefallen war, warf Adelaide sich auf ihr Bett und fing an zu schluchzen. Sie erstickte ihre Tränen in dem weißen Kissen, das das Zimmermädchen so wunderbar arrangiert hatte, und weinte, bis es völlig durchweicht war. Als sie keine Tränen mehr hatte, stieg Ärger in ihr auf. Erst wurde sie wütend auf das Kissen, weil es jetzt so nass und unansehnlich war, und warf es zornig durch den Raum. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit der arglosen Matratze zu und schlug mit den Fäusten auf sie ein.
    Wie hatte er ihr Vertrauen so missbrauchen können? Er hatte sie stets in dem Glauben gelassen, er sei unverheiratet. Dieser Schuft! Sie hatte alles für ihn aufgegeben. Ihre Arbeitsstelle. Ihre Freunde. Ihre Selbstachtung. Wahrscheinlich hatte dieser Halunke an jedem Bahnhof von Longview bis Abilene eine Verehrerin. Frauen, die ihn auf seinen einsamen Reisen ablenken konnten. Witwen. Unverheiratete. Einsame Frauen, die anfällig für seinen Charme waren. Frauen, die sich

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