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STYX - Fluss der Toten (German Edition)

STYX - Fluss der Toten (German Edition)

Titel: STYX - Fluss der Toten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannt
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getan? Warum wollen Sie mich töten?«
    »Das will ich gar nicht.«
    »Aber ...«
    »Ich habe nur gesagt, dass Sie sterben werden. Jetzt, in diesem Augenblick. Sie haben einen Gehirntumor. Er ist für ihren Tod verantwortlich.«
    »Woher wollen Sie das wissen?«, frage Natalie atemlos. »Wer sind Sie?«
    »Ich bin Charon, der Fährmann. Ich bringe Sie ins Reich der Toten.«
    Es waren die letzten Worte, die sie hörte. Danach gab es nur noch den Nebel, der sie in sich einschloss.

Das Loch
    Steve Kußin
    02. Juni 1976
    Ich hätte nie für möglich gehalten, worüber ich inzwischen traurige Gewissheit habe: Dass es Kräfte jenseits unserer Erkenntnis gibt, jenseits der theoretischen Erwägungen unserer hellsten Köpfe. Und dass diese wunderlichen Kräfte, Kreaturen und Welten, Tür an Tür mit uns wohnen. Hätten wir gewusst wohin, wir hätten nur unsere Hand ausstrecken müssen, um diese andere Welt zu berühren; ein einziger Blick hinter den Schleier, der unsere leichtgläubigen Augen vor den Schrecken unvorstellbarer Abnormität schützen soll, würde ausgereicht haben, uns in ewiges Vergessen zu wünschen. Denn hinter diesem Schleier liegen blasphemische, an unsere Urängste heranreichende Vorgänge verborgen, die demjenigen, der sie bemerkt, seinen Seelenfrieden auf immer rauben würden.
    Ich weiß davon und kann das Folgende erzählen, weil ich hinter diesen Schleier gesehen habe. Heute wünsche ich mir nichts sehnlicher, als die Ereignisse um den 16. und 17. Mai 1976 ungeschehen zu machen. Aber weil ich das nicht kann, will ich mich nur noch in seliges Vergessen stürzen, welches ich, sobald ich dieses Schreiben an Sie ausgehändigt weiß, selbst herbeiführen werde. Ich möchte nur noch vergessen. Möchte die quälenden Überlegungen loswerden, welches Schicksal Officer Hendricks, Larry Fetterman und die anderen spurlos Verschwundenen, vor allem aber meinen Sohn Ben, ereilt haben mag. Ob sie tot sind oder am Leben, und was besser wäre, und auf welche Art – ich will nicht mehr darüber nachdenken, es macht mich wahnsinnig.
    Meiner Frau Ellen habe ich meine Tötungsabsicht verschwiegen. Ich will nicht, dass sie versucht mich aufzuhalten – das würde sie nicht schaffen, und das möchte ich ihr ersparen. Sie glaubt noch daran, dass Ben unabhängig von uns aus der Stadt gekommen und in eine der größeren umliegenden Städte geflüchtet ist. Möglich ist das natürlich. Deshalb telefonieren wir die umliegenden Krankenhäuser und Polizeistationen ab, auf der Suche nach Hinweisen. Doch im Gegensatz zu meiner Frau, habe ich keine Hoffnung mehr. Sie hat nicht mit ansehen müssen, was mein inneres Auge seitdem wieder und wieder abspult, wenn ich meine Gedanken unbedacht schweifen lasse: Wie sie verschwanden, sie alle – Martin Hendricks, Larry Fetterman, Murray Young, Chris Filley. Und manchmal sehe ich nicht Young oder Larry, wie sie ins Dunkel gezogen werden, sondern glaube meinen Sohn Ben zu erkennen, dessen Gesicht von nackter Angst entstellt ist. Meinen Sohn Ben, auf dessen Gesicht ich niemals so etwas wie Furcht gesehen habe – außer in diesen schrecklichen Tagträumen, wenn ich meine Gedanken nicht unter Kontrolle behalte. Jene Bilder und das Wissen, welches diese Bilder erklärt, blieben Ellen erspart, und ich werde alles in meiner Macht Stehende tun, damit das so bleibt. Ich möchte, dass sie weiterhin an eine vorstellbare Welt mit ihren absehbaren Gefahren glauben kann, wo mir selbst keine Hoffnung, kein Glaube, kein Halt und kein Trost mehr gegeben sind.
    Ich habe Ellen einen Abschiedsbrief geschrieben, den ich in die oberste Schublade der Kommode gelegt habe. Ich schätze, ich wollte nicht riskieren, dass der Brief mit Blut bespritzt wird. In diesem Brief steht nichts von den abscheulichen Kreaturen, die ich gesehen habe, und von den grotesken Märchen, die der alte Jeff Vaughn zum Besten gab und von denen ich inzwischen befürchten muss, dass sie der Wahrheit verwandter sind, als es uns Menschen lieb sein kann. Im Brief an Ellen stehen jene Gründe meiner Tat, die sie wissen darf und die von dem Verlust Bens handeln.
    Ich hoffe, dass ihr Schmerz über den Verlust von Ben und über meinen Verlust jene allzu nachvollziehbare Skepsis überlagern wird, die sie zu Nachforschungen über meine Äußerungen der letzten zwei Tage in Linton führen könnte.
    Bitte berichten Sie Ellen nichts von dem Brief an Sie und halten Sie sich, was die Maßnahmen bezüglich Linton betrifft, an das, worüber wir uns

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