STYX - Fluss der Toten (German Edition)
begann vor ungefähr acht Jahren, kurz nachdem ich meinen ersten Roman veröffentlicht hatte. Ein beinahe gescheiterter Schriftsteller, der am Ende doch noch einen Verleger und späten Ruhm fand. Ein Märchen und doch wahr. Eine Geschichte, wie man sie seinen Enkeln erzählen konnte. Von der Presse gierig aufgesogen und in die Welt geschrien, nannten sie mich plötzlich vielversprechend . Aber wie so viele Versprechen wurde auch dieses nicht gehalten. Doch genug davon.
Eines Tages lud mich mein Lektor zu einer Party bei sich zu Hause ein. Obwohl ich schon damals eine strenge Abneigung gegen solche Anlässe hatte, blieb mir leider keine Wahl. Eine Menge Leute, die sich gerne in den Mittelpunkt stellten. Kubanische Zigarren und Kaviar. Jede Frage ein Anlass, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Versteckte Anspielungen, geschliffene Duelle in plattem Wortwitz, intellektuelle Überheblichkeit und das Ganze garniert mit Häppchen, die niemand gegessen hätte, wenn nicht jeder ein noch größerer Feinschmecker und Ästhet als der andere hätte sein wollen.
Nach meiner Ankunft wurde ich durch den Raum gereicht, wie ein Hundewelpe auf einem Kindergeburtstag.
Ich schüttelte Hände, beantwortete geduldig die tausendste Nachfrage nach der Grundidee meines Werkes und wie ich denn darauf gekommen sei, und versuchte währenddessen möglichst interessant und vielschichtig zu wirken. Die ganze Tortur bereitete mir einerseits einen nicht zu leugnenden Nervenkitzel, andererseits aber auch ein schlechtes Gewissen. Als mir der Rummel letztlich zu viel wurde, zog ich mich zurück und versuchte etwas zu essen.
So stand ich am kalten Buffet – vergeblich bemüht, mich so klein wie möglich zu machen, um mich einiger Damen jenseits der Vierzig zu erwehren. Deren erklärtes Ziel war es, den armen Schriftsteller verbal zu überrennen, mich regelrecht tot zu quatschen. Bei der Abwehr dieser Attacken hätte ich beinahe den jungen Mann am anderen Ende des Raumes übersehen. Er war etwa in meinem Alter, mir jedoch in der Kunst der Unsichtbarkeit offenbar weit überlegen. Schlussendlich war es wohl gerade diese Aura der Abwesenheit, die mich auf ihn aufmerksam machte. Es schien, als wäre dort, wo er stand, ein großes Loch mitten im Raum. Nicht, dass rein äußerlich etwas Besonderes an ihm gewesen wäre: Mittellange, blonde Haare, die in leicht fettigen Strähnen ins Gesicht hingen, waren nicht besonders anziehend. Dennoch beschlich mich eine gewisse Ahnung. Und als er zu mir herübersah spürte ich, dass dies nicht unsere letzte Begegnung sein würde. Minuten später verlor ich ihn aus den Augen.
Ein Strudel von belanglosen Gesprächen, zu Themen, an die ich mich kurze Zeit später nicht einmal erinnern konnte, begann mich erneut unter die Oberfläche zu ziehen. So versank der Rest des Abends in diffusem Nebel. Nur der einsame Fremde blieb mir im Geiste haften.
Gegen Morgen, als sich die Party ihrem Ende näherte und nur noch wenige Gäste durch die Räume geisterten, übermannte mich die Neugier und ich kam nicht umhin, meinen Lektor nach dem Namen des Unbekannten zu fragen. Ich begann damit, diesen in allen Details zu beschreiben und stellte zu meiner Überraschung fest, dass die einzig nötige Information jene über den Sitzplatz des Unbekannten war. Offenbar hatte mein Lektor einige Erfahrung mit dieser speziellen Person.
»Er sitzt immer genau an dieser Stelle«, bemerkte er mit leichter Belustigung in der Stimme. »Auf all meinen Partys.«
Ich erfuhr, dass es sich bei diesem Mann um einen gewissen Jack Wagner handelte, einen gebürtigen Amerikaner der mit seinen Eltern, beides Soldaten, vor vielen Jahren ausgewandert war.
Auch eine Warnung bekam ich mit auf den Weg. Wagner sei ein Exzentriker allererster Güte. Ein hervorragender Schriftsteller, der unter Pseudonym einen äußerst erfolgreichen Roman veröffentlicht hatte, aber offensichtlich einem schleichenden Wahnsinn anheimgefallen war, der jeden in seinem Umfeld langsam vergiftete. Alles in allem eine Person, mit der man privat besser nichts zu tun hatte.
War mein Interesse an Wagner zuvor ein leichtes Glimmen in kalter Asche gewesen, so loderte es nun, gleich einer Stichflamme, heiß auf. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich schon, dass ich mehr über ihn erfahren wollte. Ein Schauer lief mir über den Rücken, aber ich ließ es für den Moment dabei bewenden. Lediglich den Namen des Buches ließ ich mir von meinem Lektor noch geben.
Die Tage vergingen und ich begann den
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