Succubus Blues - Komm ihr nicht zu nah
vielen Alkohol zugeschrieben. Aber das war lächerlich. Ich trank die ganze Zeit, bevor ich einen Kick erhielt. Alkohol konnte meine Sinne verwirren – wie er es in dieser Nacht offensichtlich getan hatte -, aber keine noch so große Menge Gift konnte völlig das Gefühl eines Übergangs von Lebensenergie unterdrücken. Nichts konnte das. Ich war zu zerstört gewesen, um die Wahrheit zu begreifen. Alkohol oder nicht, ich würde immer etwas bei einem sexuellen oder intimen körperlichen Kontakt spüren, es sei denn …
Es sei denn, ich war mit einem anderen Unsterblichen zusammen.
Ich riss mich von Roman los. Sein Ausdruck zeigte Überraschung, die sofort von jähem Verständnis ersetzt wurde. Diese wunderschönen Augen funkelten gefährlich, als er auflachte.
»Hat aber lange gebraucht.«
Kapitel 22
»Du hast so getan … du hast so getan, als würdest du von mir beeinflusst«, begriff ich, und weil ich so schockiert war, kamen die Worte nur schwer und matt heraus.
Immer noch kichernd trat er einen Schritt auf mich zu, und ich zog mich zurück und suchte verzweifelt eine Möglichkeit zum Davonrennen, zur Flucht aus meiner eigenen Wohnung. Was vor nur einigen Augenblicken sicher und einladend erschienen war, wirkte jetzt eng und bedrückend. Mein Apartment war zu klein, die Tür zu weit entfernt. Ich bekam keine Luft. Die Erheiterung auf Romans Gesicht wich einem Erstaunen.
»Was ist los? Wovor hast du Angst?«
»Was meinst du denn?«
Er war verblüfft. »Vor mir?«
»Ja, vor dir. Du tötest Unsterbliche.«
»Nun ja«, gab er zu, »aber dir würde ich nie wehtun. Nie. Das weißt du, nicht wahr?« Ich gab keine Antwort. »Weißt du es?«
Ich zog mich noch weiter zurück. Nicht, dass ich dazu noch Raum gehabt hätte. Er stand mir so gegenüber, dass ich nur weiter zum Schlafzimmer zurückweichen konnte, nicht zur Eingangstür. Das würde wahrscheinlich überhaupt nichts bringen.
Roman wirkte nach wie vor wie erstarrt angesichts meiner Reaktion. »Nun komm schon, das kann ich nicht glauben! Ich hätte dir nie etwas getan. Ich bin in dich verliebt. Teufel, weißt du eigentlich, was du dieser Operation für eine Wendung gegeben hast?«
»Ich? Was habe ich getan?«
»Was du getan hast? Du hast mein Herz um deinen kleinen Finger gewickelt, das hast du getan. An diesem Tag … als du mich in der Buchhandlung angesprochen hast? Ich vermochte mein Glück kaum zu fassen. Ich habe dich die ganze Woche über beobachtet, weißt du, und versucht, mehr über deine Gewohnheiten in Erfahrung zu bringen. Meine Güte, diesen Tag, als ich dich das erste Mal sah, werde ich nie vergessen! Wie lebhaft du warst! Wie schön! Ich wäre da und dort bis ans Ende der Welt mit dir gegangen. Und später … als du nach der Signierstunde nicht mit mir ausgehen wolltest? Ich konnte es kaum glauben. Ursprünglich solltest du mein erstes Opfer sein, weißt du. Aber ich brachte es nicht über mich. Nicht nachdem ich mit dir gesprochen hatte. Nicht nachdem ich begriffen hatte, was du bist.«
Ich schluckte, neugierig wider Willen. »Was … was bin ich?«
Er trat einen Schritt auf mich zu, ein wehmütiges Lächeln auf dem hübschen Gesicht. »Ein Sukkubus, der kein Sukkubus sein möchte. Ein Sukkubus, der ein Mensch sein möchte.«
»Nein, das stimmt nicht …«
»Natürlich stimmt es. Du bist genau wie ich. Du willst nicht nach den Regeln spielen. Du bist des Systems müde. Du willst dich nicht von ihnen in die Rolle drängen lassen, die sie dir aufgedrängt haben. Meine Güte, ich konnte es kaum glauben! Je mehr du an mir interessiert schienst, desto mehr hast du dich zurückziehen wollen. Du hältst das normal für einen Sukkubus? Es war das Erstaunlichste, was ich je gesehen habe – ganz zu schweigen davon, auch das Enttäuschendste. Deswegen habe ich mich schließlich entschieden, dich heute herauszufordern. Ich wusste nicht, ob du dich um meinetwillen von mir getrennt hattest oder ob du jetzt an jemand anderem interessiert warst – wie Mortensen.«
»Warte mal – deswegen hast du dieses dumme kleine Spiel heute arrangiert? Zur Befriedigung deines eigenen verdammten Egos?«
Roman zuckte unglücklich mit den Achseln, wirkte jedoch nach wie vor selbstzufrieden. »Es hört sich hohl an, wenn du es so ausdrückst. Ich meine, okay, es war ziemlich dumm. Und vielleicht ein wenig kindisch. Aber ich musste wissen, wem deine Zuneigung gehört. Du kannst dir nicht vorstellen, wie anrührend es war, dass du so besorgt um mich warst
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