Succubus Blues - Komm ihr nicht zu nah
dabei gedacht? Ich musste heute zur Arbeit. Und nicht bloß das, ich musste in zehn Minuten zur Arbeit. Fürs „richtige“ Ankleiden oder Schminken blieb keine Zeit mehr. Seufzend führte ich einen Gestaltwechsel durch. Mein Nachthemd wich grauen Hosen und einer elfenbeinfarbenen Bluse. Haar und Make-up sahen plötzlich wie sonst auch aus, nämlich makellos. Zähne putzen und Parfüm auftragen ließen sich nicht vortäuschen, und nachdem ich damit fertig war, schnappte ich mir meine Handtasche und rannte im Eiltempo hinaus.
Als ich meine Lobby erreichte, rief mir der Portier etwas zu.
»Hab’ hier was für Sie!« Er reichte mir ein flaches Paket herüber.
Mir nach wie vor der Zeit bewusst, riss ich rasch den Umschlag auf und unterdrückte ein Aufstöhnen angesichts dessen, was ich da vorfand. Samtmalerei mit Zahlen, stand auf der Verpackung. Ein Untertitel verkündete: Malen Sie Ihr eigenes Meisterwerk! Enthält alles Notwendige, um wie ein richtiger Künstler zu malen! Das „Meisterwerk“, das ich erschaffen konnte, zeigte eine Wüstenlandschaft mit einem riesigen Kaktus auf der einen und einem heulenden Kojoten auf der anderen Seite. Ein Adler kreiste am Himmel, und ein geisterhafter, körperloser Indianer schwebte in der Nähe vorbei. Schrecklich stereotyp und miserabel.
Ein kleines Stück Papier war daran geklebt. Klein anfangen, stand da. Alles Liebe, Roman. Die Schrift war so perfekt, dass sie schon unwirklich erschien.
Als ich im Geschäft eintraf, kicherte ich immer noch. In meinem Büro setzte ich mich vor den Computer und entdeckte die zweite Überraschung des Morgens: eine weitere E-Mail von Seth. Sie war um fünf Uhr früh abgeschickt worden.
Georgina,
Vor einigen Jahren, während ich Gods of Gold schrieb, lernte ich in einem Seminar über südamerikanische Archäologie eine Frau kennen. Ich weiß nicht, wie das für Frauen ist; wahrscheinlich ist es nicht immer genauso wie für uns Männer. Aber für mich steht die Zeit still, wenn ich jemanden treffe, zu dem ich mich hingezogen fühle. Die Planeten richten sich aus, und ich stelle das Atmen ein. Die Engel selbst steigen herab und lassen sich auf meinen Schultern nieder und flüstern Versprechungen von Liebe und Anbetung, während weniger himmlische Wesen Versprechen abgeben, die etwas irdischer und handfester sind. Vermutlich ist dieser Teil der des Mannes.
Wie dem auch sei, Folgendes passierte mit dieser Frau: Wir verknallten uns heftig ineinander und trafen uns eine sehr, sehr lange Zeit immer wieder. An manchen Tagen wollten wir nicht eine Minute von der Seite des anderen weichen, und dann, später, vergingen Monate, ohne dass wir Kontakt hatten. Ich muss eingestehen, dass Letzteres eher meine Schuld war. Ich habe schon erwähnt, dass Cady und O’Neill sehr fordernd sind. Während der Phasen, in denen ich tief im Schreiben steckte, war ich außerstande, an etwas anderes zu denken oder etwas anderes zu tun. Nichts sollte mich von meinem Roman abhalten. Ich wusste, dass es sie verletzte – wusste, dass sie eine Person war, die sich niederlassen, eine Familie gründen und ein ruhiges und zufriedenes Leben führen wollte. So eine Person war ich nicht – ich bin mir nicht mal sicher, ob ich jetzt so jemand bin -, aber mir gefiel die Vorstellung, stets jemanden um mich zu haben, jemanden, der zuverlässig war und den ich anrufen könnte, wenn ich schließlich so weit wäre. Es war wirklich nicht fair, ihr das anzutun, sie immerzu so hängen zu lassen. Ich hätte früher Schluss machen sollen, war jedoch zu selbstsüchtig und bequem.
Eines Tages, nachdem ich einige Monate nicht mehr mit ihr gesprochen hatte, rief ich sie an und war erstaunt, einen Mann am Apparat zu haben. Als ich sie an der Strippe hatte, sagte sie mir, dass sie jemand anderen getroffen habe und mich nicht mehr treffen könne. Zu sagen, ich wäre schockiert gewesen, wäre eine Untertreibung. Ich fing an zu toben, erklärte immer wieder, wie viel sie mir bedeutete und ob sie denn wirklich alles wegwerfen könnte, was wir hatten. Sie hörte sich alles ziemlich freundlich an, wenn man bedenkt, wie verrückt ich mich angehört haben musste. Am Ende jedoch zog sie einen Schlussstrich unter die Angelegenheit, indem sie sagte, ich hätte nicht von ihr erwarten können, dass sie ewig auf mich wartete. Sie musste ihr eigenes Leben leben.
Es gibt zwei Gründe, weshalb ich diese peinliche Geschichte aus dem Leben des Seth Mortensen mitteile. Zunächst einmal muss ich mich bei Ihnen
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