Succubus05 Shadows - Die dunkle Seite der Versuchung
und Reue. Als er das Hemd hochhob und an seine Stirn presste, sah ich auch noch Sehnsucht. Seine Stimmung wurde abgerundet von so etwas wie hilfloser Resignation. Er atmete tief ein und hängte das Hemd wieder auf. Dabei roch ich einen Hauch von Tuberose-Blüten – der Duft war ein Überbleibsel meines Michael-Kors-Parfums. Siedend heiß begriff ich, dass Seth das Hemd seit damals nie wieder getragen oder gar gewaschen hatte. Er hatte es aufbewahrt wie ein wertvolles Artefakt.
Dann griff er sich, ohne genauer hinzusehen, das erstbeste T-Shirt, das er zu fassen bekam. Es war ein alter Liebling von ihm mit dem Tasmanischen Teufel aus den Looney-Tunes -Cartoons. Seit Seth aus der Dusche gestiegen war, hatte sich seine Laune beträchtlich verschlechtert, und nun wirkte er ernst und gedankenverloren. Allerdings konnte ich seine Gedanken nicht beurteilen. Ich konnte lediglich die äußerlichen Zeichen deuten.
Es stellte sich heraus, dass der Grund, warum er aufgestanden war, ein Besuch bei seinem Bruder war. Wie gewöhnlich sah es im Haus des älteren der Mortensen-Geschwister chaotisch aus und kleine, hinreißende, blonde Mädchen rannten dort überall herum, die beim Anblick ihres Lieblingsonkels entzückt kreischten. Er hatte das Haus noch nicht richtig betreten, als bereits seine Schwägerin Andrea auf ihn zukam und ihn begrüßte. Sie trug ein Kordjackett zu Jeans und T-Shirt und hatte ihr blondes Haar zu einem ordentlichen Pferdeschwanz zurückgegelt. Sie sah Seth irritiert an.
«Du hast deinen Laptop nicht mitgebracht?» Andrea klang fröhlich wie immer, doch sie wirkte müde.
Er deutete statt einer Antwort hinüber zu den Zwillingen McKenna und Morgan, die Tauziehen mit einer Weihnachtslichterkette spielten. Es sah skurril aus, denn nicht nur war Weihnachten schon vor einem Monat gewesen, sondern die Kette war auch noch eingesteckt, was mir ziemlich riskant erschien. Offensichtlich ging es Seth genauso, denn er unterbrach hastig ihr Spiel und nahm den beiden, unter lautem Protestgeschrei, die Kette ab.
«In Gesellschaft dieser Schätzchen werde ich wohl kaum viel arbeiten können», sagte er nüchtern.
«Ja», stimmte sie zu. «Sieht so aus.» Sie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. «Okay, ich muss los. Ich weiß nicht genau, wie lange es dauern wird.»
«Kein Problem», antwortete er. «Tu, was nötig ist.»
Sie huschte zur Tür hinaus. Ich wollte fragen, was sie vorhatte, doch es gab keine Möglichkeit. Wieder einmal wurde ich daran erinnert, wie sehr ich inzwischen von der Welt der Mortensens ausgeschlossen war. Es hatte einmal eine Zeit gegeben, zu der ich über jedes Detail Bescheid gewusst hätte.
Kendall, eine vorwitzige Neunjährige, kam feierlich auf Seth zu. «Onkel Seth», sagte sie. «Spielst du Kredit mit mir?»
Seth hob eine Augenbraue. «Kredit? Wie geht das?»
«Also, ich bin der Hypothekenmakler und du kommst zu mir und willst einen Kredit für ein Haus, aber du hast nicht genug Geld für eine Anzahlung.» Sie hielt kurz inne. «Wir müssen wohl mal eine vorläufige Auskommenssteuererklärung für dich machen.»
«Einkommensteuer», korrigierte Seth. «Und was würdest du davon halten, wenn wir stattdessen in den Buchladen gehen würden?»
Sie verzog das Gesicht. «Ich will Kredit spielen.»
«Sie haben dort auch Bücher über Immobilienwirtschaft», entgegnete er. «Ich glaube nicht, dass wir Kredit spielen können, ohne uns vorher gründlich ins Thema einzulesen.»
«Okay», willigte sie ein. «Gehen wir.»
Just da schlendert Brandy mit ihrer vierjährigen Schwester auf dem Arm ins Wohnzimmer. Kayla schien gerade aus einem Nickerchen aufgewacht zu sein. Sie hatte ihren Kopf verschlafen gegen Brandys Schulter gelegt. Ich liebte alle Mädchen, aber zu Kayla fühlte ich mich immer ganz besonders hingezogen.
«Wohin gehen wir?», fragte Brandy nach und verlagerte Kayla ein wenig auf ihrem Arm. Zwar hielt sie ihre Schwester zärtlich, doch über ihrem Kopf schien eine Gewitterwolke zu schweben.
«Emerald City.»
Brandy stieß einen Seufzer aus. «Verbringst du da nicht schon mehr als genug Zeit?»
«Maddie hat ein paar Schuhe besorgt, die zu dem Kleid passen, und du musst sie anprobieren.»
Brandy warf ihm einen Blick zu, in dem genau zu lesen war, was sie von dieser ganzen Angelegenheit hielt.
«Lass es», warnte Seth sie in einem strafenden Tonfall, den ich noch nie zuvor von ihm gehört hatte. Hallo Seth, willkommen in der Welt der Pubertät.
«Arbeitet Georgina auch?»,
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