Such mich Thriller
sollte er sich ruhig noch eine Weile den Kopf zerbrechen. »Ich habe Angehörige in Chicago«, sagte sie, obgleich alle ihre Lieben schon tot und in Kalifornien begraben waren. »Da waren Sie Priester. Priester und Psychologe.« Laut Detective Mallory stimmte das so weit. »Meine Mutter hat den besten Therapeuten, den man für Geld bekommen kann. Es ist eine kleine verschworene Gemeinschaft, nicht? Die Psychodocs, meine ich. Da wird viel gelästert und geklatscht. Ich hätte nicht gedacht, wie leicht es war herauszufinden, wie drittklassig Sie als Arzt waren.« Der Bluff war gelungen, sie sah, dass er
unwillkürlich nickte und damit bestätigte, dass seine Privatpraxis finanziell nicht sonderlich erfolgreich gewesen war. »Ich musste mich also fragen, warum Sie das Priesteramt aufgegeben haben. Zumindest hatten Sie bei der katholischen Kirche ein geregeltes Einkommen.«
»Ich war damals tatsächlich ein schlechter Psychologe und ein noch schlechterer Priester. Wie hätte ich bleiben können? Merkwürdigerweise bin ich, nachdem ich die Kirche verlassen habe, ein besserer Mensch geworden.«
»Das kaufe ich Ihnen nicht ab. Sie haben sich bewusst mit einem Kindermörder eingelassen. Hat er Ihnen Angst gemacht? Haben Sie jetzt Angst? Das wäre naheliegend, da Sie der Einzige sind, der ihn identifizieren kann.« Sie sah Magritte von der Seite an, wartete auf Risse in der Fassade. »Sie kennen dieses Monster schon lange.« Um dem Satz mehr Nachdruck zu verleihen, schlug sie mit der Handfläche heftig aufs Armaturenbrett, so dass der gebrechliche alte Mann zusammenfuhr. »Ihre Privatpraxis brachte also kein Geld ein. Dann fingen Sie mit den Therapiegruppen im Internet an. Das war anonym, und Sie brauchten keine teure Versicherung gegen Kunstfehler. So ließ es sich nicht schlecht leben. Jetzt fahren Sie eine Luxuskarosse und kaufen Ihre Anzüge nicht mehr von der Stange. Die Eltern verschwundener Kinder sind die besten Opfer, bei denen können Psychoheinis und Hellseher tüchtig absahnen.«
»Ich habe ihnen nie auch nur einen Cent abgenommen«, sagte Dr. Magritte, in die Defensive gedrängt, nachdem sie seinen wunden Punkt gefunden hatte. »Tatsächlich verhält es sich so, dass ich mit meiner Privatpraxis gutes Geld verdient habe. Mehr als genug, um mich zur Ruhe setzen zu können. Und meine Arbeit für die Eltern verrichte ich ehrenamtlich.«
Da war der sehnlich erwartete Durchbruch.
»Angenommen, ich glaube Ihnen«, sagte Christine Nahlman.
»Vielleicht wollten Sie Buße tun, weil Sie einen Kindermörder gedeckt haben. Der Konvoi war Ihre Chance. Sie wollten den Verbrecher ausräuchern. Ein letzter Versuch, Gnade zu erlangen - aber nicht das, was man von einem Priester oder Arzt erwarten würde.« Sie nahm ihm den Rucksack vom Schoß. Mit der freien Hand machte sie den Reißverschluss auf und holte den rostigen Revolver heraus. »Sie wollten den Mann ermorden.«
Er schwieg - und sie hatte ihre Bestätigung.
»Kaltblütiger, vorsätzlicher Mord«, fuhr sie fort. »Ist das sehr viel christlicher als eine Verletzung des Beichtgeheimnisses? Aber es wird nicht klappen. Er greift immer von hinten an, seit Jahrzehnten, denke ich, er hat reichlich Übung. Sie werden ihn erst hören, wenn er so nah ist, dass er Ihnen die Kehle aufschlitzen kann.« Sie wog die Waffe in der Hand. »Aber ich kann ihn für Sie umbringen, Sie brauchen mir nur zu sagen, wo ich ihn finde.«
Magritte sah starr auf die Windschutzscheibe. Die Lichter des Camps waren in Sicht. Er war fast erlöst.
Aber noch nicht ganz.
Nahlmann fuhr auf den Seitenstreifen und stellte den Motor ab. »Mallory hat mir gesagt, dass Sie den Killer seit seiner Kindheit kennen.« Magritte fuhr erschrocken zusammen. Mallory hatte also recht gehabt - der Mörder hatte früh angefangen. Das Skelett in dem tiefsten Grab war womöglich älter, als sie gedacht hatte. Nahlmann beugte sich vor, öffnete das Handschuhfach und holte den kleinen blauen Beutel heraus. »Wann hat er Ihnen den gegeben? Oder lassen Sie mich anders fragen. Wie viele kleine Mädchen sind gestorben, seit Sie mit diesen Knochen in der Tasche herumlaufen? Nicht einmal das wollen Sie mir sagen? Auch gut, dann sind meiner Fantasie ja keine Grenzen gesetzt.« Sie ließ den Motor wieder an. »Ich kann den Eltern sagen, dass Sie diese Knochen seit zwanzig, dreißig Jahren
haben, und in dieser Zeit wurden ihre Kinder abgeschlachtet wie …«
»Sie wollen es ihnen sagen?«
Ein kleines Stück Wahrheit steckte in
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