Such mich Thriller
Karawane von Eltern auf den Straßen von Illinois unterwegs war, um ihre verschwundenen Kinder zu suchen. Wie viele dieser Kinder waren tot und als Skelette vom FBI in Leichensäcken weggeschleppt worden? Und wie passte das zu dem Mord an einem erwachsenen Mann?
Die Erklärung folgte eine Seite weiter. Das Opfer, Gerald C. Linden, war Mitglied zahlreicher Internetgruppen für die Eltern vermisster Kinder gewesen. Sein eigenes Kind, ein kleines Mädchen, war von Unbekannten entführt worden.
»Ich könnte eine zweite Meinung zu dem Killer gebrauchen.« Kronewald stellte die schwere Tasche auf den Tisch und kippte sie um, während Riker mit einem gekonnten Kunstgriff seine Brille verschwinden ließ. »Hab gerade mit einem Trooper telefoniert. Er bringt mir den platten Reifen.«
Charles und Riker nickten freundlich, als sei es völlig normal, unvermittelt einen platten Reifen ins Gespräch zu bringen. Erst als Kronewald ihnen Mallorys Theorie über den Mord an Mr. Linden erläutert hatte, sahen sie klarer.
»Daraus ergibt sich eine Vielzahl neuer Fragen«, sagte Kronewald. »Ich erzähl euch erst mal, was unser zuständiger Psychologe gesagt hat. Dass diese pingelige Kleinarbeit - eine Mobiltelefonbatterie zu stehlen und das Ventil am Reifen unbrauchbar zu machen - auf eine zwanghafte Persönlichkeit hindeutet, einen Kontrollfreak, der Wert darauf legt, dass alles bis ins Letzte stimmt.«
Er zog eine Akte aus dem Wust und schlug den vorläufigen Bericht über die Linden-Obduktion auf. »Unser Psychodoc
meint, der Täter müsse ein kleiner Mann sein. Er hat Linden die Kehle durchgeschnitten, und auch der Gerichtsmediziner ist der Meinung, dass Linden dabei nach unten sah. Wahrscheinlich haben wir es außerdem mit einem sehr ordnungsliebenden Serienmörder zu tun, der sehr auf seine äußere Erscheinung achtet, zwischen zwanzig und fünfunddreißig ist, aus den Morden seine Kicks bezieht und ein begrenztes Revier hat. Hoffentlich kann man sich zumindest darauf verlassen, denn die Feds können sich meinen Fall nur schnappen, wenn er über die Grenzen des Bundesstaates hinausgeht.«
Kronewald räumte die Akten von Rikers Karte, um die Orte zu markieren, an denen das FBI die Gebeine von Kindern gefunden hatte. Mit dem Bleistift über einem der Kreuze innehaltend sah er seinen Gast erwartungsvoll an. »Wie sehen Sie das, Charles? Kann ich unserem Mann das alles abnehmen?«
»Nein.«
»Freut mich. Hab diesem verschissenen Vollidioten noch nie über den Weg getraut.« Er lehnte sich zurück und lächelte so sonnig, als hätte man ihm soeben ein größeres Geschenk gemacht. »Und was können Sie mir zu dem Fall sagen?«
»Sehr wenig.«
»Ein ehrlicher Mensch«, bemerkte Kronewald, an Riker gewandt. Dann strahlte er Charles an, den neuen Mittelpunkt seines Universums. »Okay, dann schießen Sie mal los.«
»Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Ihr Killer groß oder klein ist, nur dass Mallorys Theorie sich mit der Autopsie deckt. Ihr guter Samariter - wenn wir ihn denn so nennen wollen - hielt Linden beim Reifenwechsel wahrscheinlich die Taschenlampe. Dann bückte er sich einfach und schnitt ihm die Kehle durch. Der Winkel der Klinge sagt deshalb nichts über die Größe des Killers aus. Linden hatte höchstwahrscheinlich den Reifen und nicht einen kleinwüchsigen Mörder im Blick. Und ich würde
mich an Ihrer Stelle auch nicht auf eine Altersgruppe festlegen, das sind FBI-Klischees.«
Riker beugte sich vor. »Aber wir können uns doch zumindest darauf einigen, dass es sich um einen Mann handelt?«
»Nicht unbedingt«, sagte Charles. »Entscheiden Sie selbst. Für eine Frau spricht eine gewisse Scheu vor körperlicher Berührung während der Tat. Deshalb hat sie sich - wenn wir von einer Täterin ausgehen - ja auch so viel Mühe mit der Batterie des Mobiltelefons und dem Ventil gemacht: um alle Warnsignale auf einer einsamen nächtlichen Straße zu eliminieren. Die Detailarbeit deutet darauf hin, dass die Tat selbst möglichst reibungslos über die Bühne gehen sollte. Die Täterin wollte einen Kampf mit dem Opfer - einem Mann - vermeiden. Abgesehen von der eigentlichen Tat riskiert sie erstaunlich viel. Denken Sie an die Spuren der Abschleppkette - der Täter oder die Täterin ist mit dem Wagen des Opfers im Schlepptau und einer abgeschnittenen Hand im Kofferraum durch die Gegend gefahren. Aber bei dem Mord selbst wird jedes Risiko ausgeschlossen, er ist gründlich durchdacht - und Frauen sind detailbesessener als
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