Such mich Thriller
anfreunden. Sie waren schon viele Meilen weiter, als er mit einer Handbewegung zugab: Vielleicht. So wie er es sah, hatte der Job seine Partnerin aus der Bahn geworfen, oder anders gesagt: Ihre Arbeit bei der Mordkommission hatte das vollendet, was sich in dem zutiefst gestörten Kind angebahnt hatte.
»Die Frage von Henne und Ei«, sagte Charles. »Was kam zuerst - der Rückzug in ihre vier Wände oder das Herumtelefonieren? Das ließe sich doch bei der Telefongesellschaft feststellen. Frag einfach, an welchem Tag Mallory zum ersten Mal Savannahs Nummer angerufen hat. Oder musst du dich dazu auch strikt an den Dienstweg halten?«
»Okay.« Riker holte das Handy heraus, aber es war klar, dass er damit nur Charles einen Gefallen tat. Fast gelangweilt wartete er auf die angeforderten Angaben. Plötzlich aber veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Er bedankte sich, beendete das Gespräch und schloss kurz die Augen. »Mallory hat sehr oft mit Savannah telefoniert, zum ersten Mal aber schon vor Monaten - und danach ist sie immer öfter nicht zum Dienst erschienen und zum Schluss ganz weggeblieben. Woher hast du das gewusst?«
»Jeder Mensch hat ein Hobby. Das von Mallory ist eben nur ein bisschen ausgefallen - sie telefoniert. Du hast ja erzählt, dass sie das schon als Kind gemacht hat, wahrscheinlich hat sie es nie aufgegeben. Sie musste einfach alle Telefonnummern abarbeiten, bis sie die Lösung hatte. Wenn man bedenkt, wie viele Ziffern man bei einem Ferngespräch wählen muss und wie oft sich Vorwahlen und so weiter ändern, ist absehbar, dass ihr die Telefonnummern nicht so bald ausgehen werden. Das spricht für meine These, dass die Anrufe für sie ein Dauerthema sind und dass gewöhnlich Stress der Auslöser für sie ist. Im Lauf der Jahre hat sie es vermutlich schon mit sehr viel mehr Nummern versucht, als du auf ihrer Wand gesehen hast.«
Riker hob die Hand wie ein Verkehrspolizist. Stopp - zu viele Informationen auf einmal! Er bevorzugte Fakten in kleinen Portionen, für die er nur eine Zeile in seinem Notizbuch brauchte.
Zum Glück war Charles schon bei der Zusammenfassung
angekommen. »Drei Wochen hatte sie Logierbesuch, aber was hat sie in der restlichen Zeit gemacht? Weißt du, wann sie den neuen Wagen gekauft hat?«
»Vor ein paar Monaten.«
»Nach dem ersten Anruf bei Miss Sirus. Da hat Mallory angefangen, Reisepläne zu schmieden. Savannahs Heimatstadt Chicago war offensichtlich lange vor Gerald Lindens Tod ein Ziel. Detective Kronewalds Tatort war Mallory auf ihrer Fahrt durch die Stadt einfach im Weg. An der Kreuzung Adam und Michigan beginnt offiziell die Route 66.«
»Stimmt.« Riker rieb sich die Augen und überlegte, was er aus Schlafmangel sonst noch übersehen hatte. Jetzt tat ihm der Kopf weh - und das Herz auch. Er langte in die Tüte aus dem Schnapsladen - für ihn eine Art Erste-Hilfe-Kasten - und griff zu seinem bewährten Schmerzkiller, einem kalten Bier.
Zwischen den Behelföfen, in denen Kohlen glühten, und lodernden Holzfeuern ging Mallory hinter Paul Magritte her. Sie hörte das Summen, die ständig wiederholten vier Töne. Zwei Kinder saßen aneinandergeschmiegt vor einem offenen Lagerfeuer auf einer Decke. Mallory hockte sich zu ihnen. »Was ist das für ein Lied?«, fragte sie das kleine Mädchen.
Der Junge rückte noch näher an seine Schwester heran, drückte sie an sich und erstickte das Summen. Mallory wandte sich an ihn. »Wie heißt dieses Lied?«
»Meine Kinder sprechen nicht mit Fremden«, sagte jemand hinter ihr.
Mallory stand auf.
Paul Magritte machte Mallory mit Joe Finn und seinen Kindern Peter und Dodie bekannt.
»Kennen Sie das Lied, das Dodie da summt?«, fragte Mallory den Vater, ohne die Kleine aus den Augen zu lassen.
»Nein, ich bin total unmusikalisch, ich weiß nur, dass sie summt, wenn ihr etwas nicht geheuer ist.« Und wer Dodie in diesem Moment seiner Meinung nach nicht geheuer war, brauchte er nicht auszusprechen.
Seinem Gesicht mit den vernarbten Platzwunden um die Augen herum und am Kinn, mehr noch aber seiner Haltung - Beine gespreizt, die Arme mit geballten Fäusten locker herunterhängend - sah sie an, dass sie vorhin am Diner richtig getippt hatte. Joe Finn war Berufsboxer und hatte viele Schläge eingesteckt, um seine Familie zu ernähren. Was würde er tun, um sie zu beschützen? Jetzt stellte er sich zornig zwischen Mallory und seine Kinder - eine unübersehbare Aufforderung an sie, das Feld zu räumen.
Mallory blieb, wo sie
Weitere Kostenlose Bücher