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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Labor gesehen hatte. Vermisst und vermutlich tot.

    Daneben befanden sich fünf Spalten mit den Bezeichnungen »Futter«, »Stim«, »Welle«, »NOR« und »DA«. Ich war mir ziemlich sicher, dass die Abkürzungen für Norepinephrin und Dopamin standen. Im Urin nachweisbare Neurotransmitter, die Aufmerksamkeitsspanne und Impulsivität mitbestimmten.
    Vermutlich waren an den Köpfen der Ratten Elektroden zur Messung der Gehirnwellen angebracht gewesen, was die rasierten Stellen erklärte. Die Kabel an Versuchstier B4 waren mit »Stim« und »Welle« gekennzeichnet gewesen.
    Stimulation? Gehirnwellen? Futter? Stimulation? Das Prinzip kam mir bekannt vor. Gab es nicht ein klassisches Experiment, bei dem getestet wurde, ob sich die Versuchstiere für Nahrung oder Stimulation entschieden? Aber warum? Was hatte das zu bedeuten?
    »Das kann einfach nicht sein«, sagte ich zu mir selbst. »Völlig ausgeschlossen.«
    Dann tauchte das Bild von Andy Goldsteins Laptop mit der eingedrückten, gesprungenen Leertaste vor meinem geistigen Auge auf. Immer wieder hatte er das Wort »Ping« getippt. Wie eine Ratte, die auf der Suche nach mehr Stimulation unablässig den Hebel betätigt. War es bei Andy ähnlich gewesen? Hatte der Computer wie ein Stimulans gewirkt? War es denkbar, dass Angstgefühle und Adrenalinausschüttung durch den Rechner auf ein gefährlich hohes Niveau getrieben wurden? Erlebte ich Ähnliches?
    »Das ist doch nicht möglich.«
    Mit schweißnassen Händen griff ich nach dem supergeheimen Agententelefon und suchte nach der Anruferliste. Annies Nummer wurde nicht angezeigt.

    Auf der Suche nach einem Hinweis auf ihren Aufenthaltsort blätterte ich durch die Menüs. Konnte ich sie irgendwie finden? Und zwar jetzt, nicht erst in zwanzig Stunden, wenn es vielleicht schon zu spät war. Ich warf einen Blick in den Spiegel. Mein Gesicht war kreidebleich, und ich sah aus, als wäre ich todkrank.

    Ich rief die Auskunft an und fragte nach der Nummer von Glenn Kindle. Kein Eintrag. Dann versuchte ich es bei Kindle Investment Partners. Der Anrufbeantworter von Diane McNulty meldete sich. Noch nicht einmal die gute Diane war da. Also rief ich wieder die Auskunft an und erkundigte mich nach Diane McNultys in der näheren Umgebung. Es gab einen Eintrag in Redwood City, einer eher bescheidenen Wohngegend ein paar Kilometer nördlich von Palo Alto.
    Bevor ich wusste, wie mir geschah, meldete sich eine zweite Stimme aus meiner Vergangenheit.
    »Hallo.«
    »Bin ich bei Diane McNulty?«
    »Am Apparat.«
    »Mrs McNulty«, begrüßte ich sie. Es kam immer gut an, wenn man den Namen wiederholte – das war ein alter Politikertrick. »Hier ist Nathaniel Idle. Annies Freund.«
    »Hallo, Mr Idle«, sagte sie nach einer kurzen Pause. »Das ist ja eine Überraschung. Wie geht es Ihnen denn so?«
    So stellte ich mir eine liebevolle Großmutter vor, die ihren Enkel zum Essen ruft.
    »Mrs McNulty, ich muss Mr Kindle finden«, erwiderte ich ohne Umschweife. »Es ist sehr wichtig.«

    Eine weitere Pause trat ein. »Das kann ich ihm gern morgen ausrichten«, sagte sie dann. »Können Sie mich im Büro anrufen?«
    Ich ließ den Kopf sinken. Ein lächelnder Zerberus war sie, ein Wachhund, der freundlich mit dem Schwanz wedelte, aber niemanden durchließ.
    »Ist er irgendwie heute noch zu erreichen?«, fragte ich. »Ich muss unbedingt mit ihm reden.«
    »Ich fürchte nein. Er spricht in Las Vegas auf der TelCom und ist schon unterwegs. Sie kennen doch die Telekommunikationsmesse? Bestimmt rufen Sie wegen Ed Gaverson an. Arbeiten Sie noch als Reporter?«
    Ed Gaverson. Gründer von Ditsoft, Freund und geschäftlicher Konkurrent von Glenn Kindle.
    »Es ist wirklich eine Tragödie. Auf dem Gipfel des Erfolges, und dann tut er … so etwas.« Sie senkte die Stimme. »Das sage ich Ihnen natürlich ganz im Vertrauen.«
    Ich kam mir vor wie ein Jongleur, ein Tellerdreher, ein Schwertschlucker, der Messer verschluckt hat, die sich nachträglich in gefährliche Rasierklingen verwandeln. Gaverson war etwas zugestoßen?
    »Ich muss mit ihm über … Annie reden«, stellte ich klar.
    »Ach, Mr Idle, ich weiß, wie hart Sie das getroffen hat. Ist heute ihr Todestag?« Offenbar wusste sie von nichts.
    »Ich werde ihm gleich ausrichten, dass Sie mit ihm reden wollen.«
    Wenn ich sie aufklärte, bestand das Risiko, dass sie Glenn Kindle informierte. Und eigentlich konnte nur er hinter Annie her sein.

    »Ist Dave Elliott zu erreichen?«, fragte ich.
    »Oh, ja, das

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