Süchtig
Tragödie.«
Ed Gaverson – Freund von Glenn Kindle, Chef eines
Hightech-Unternehmens und mutmaßlicher Selbstmörder.
»Hat sich die Kugel gegeben, stimmt’s?«, fragte Rothsberger. »Was für ein trauriges Ende.«
»Er litt unter Depressionen«, sagte Helen Douglass.
Für einen Augenblick herrschte Schweigen.
»Ich glaube, wir müssen die Fortsetzung der Besprechung verschieben.«
Die Augen der Anwesenden richteten sich auf Glenn Kindle, der sich zu Annie gebeugt hatte. Es sah aus, als hätte er ihr etwas zugeflüstert.
»Was ist denn das für ein Mist?«, polterte Rothsberger, der es offenbar nicht nötig hatte, diplomatisch zu sein. Es hätte sowieso niemand gewagt, ihm zu widersprechen.
»Es tut mir aufrichtig leid. Wir haben technische Probleme, die wir beheben müssen, bevor wir noch mehr von Ihrer Zeit in Anspruch nehmen«, erklärte Kindle. »Wir können uns im Dezember auf der CES treffen.«
Latzke erhob sich, und Annie tat es ihm nach. Sie brach das lastende Schweigen. »Du kannst diese Leute nicht in der Luft hängen lassen. Was, wenn sie in die Sache hineingezogen werden?«
»Bitte.«
»Was soll das heißen?«
»Welche Sache?«
»Es besteht absolut kein Grund zur Beunruhigung«, wiegelte Glenn Kindle ab.
»Das kommt mir verdächtig bekannt vor«, meinte Rothsberger.
Latzke setzte sich wieder.
Kindle seufzte gereizt. Offenbar sah er nicht ein, wieso er seinen Geschäftspartnern von den Tragödien der letzten Tage berichten sollte. »Wie Sie wissen, haben wir unsere Technik der intensivierten Werbung eingehend erprobt. Die Tests in einer Laborumgebung mit bezahlten Freiwilligen bestätigten die Wirksamkeit unserer Methode«, erklärte er. »Der nächste Schritt waren Feldtests.«
»Weiter.«
»Einen Augenblick, Mr Latzke«, warf Rothsberger ein. »Nur damit wir uns richtig verstehen: Wir sprechen von aufgepeppten Rechnern, die dem Verbraucher ein echtes interaktives Erlebnis ermöglichen. Physische Empfindungen – eine neue virtuelle Welt.«
»Genau«, bestätigte Kindle. Er räusperte sich und senkte die Stimme. »Einige unserer Feldtests wurden im Sunshine Café durchgeführt.«
»Wo ist das?«
»In San Francisco. Das Café ist letzte Woche in die Luft geflogen.«
Ein Schauder ging durch den Raum. Die Manager wechselten Blicke. Ihre Gehirne arbeiteten sichtlich auf Hochtouren. Was hatte das zu bedeuten?
»Und was hat das mit uns zu tun?«, fragte Rothsberger.
Latzke stimmte ihm zu. »Ein tragischer Zufall. Furchtbar.«
»Ganz meine Meinung«, sagte Glenn Kindle. »Es besteht kein Grund zur Sorge.«
Während der nun eintretenden Pause analysierte ich hastig die Situation. Offenbar hatten die Business-Manager
nur eine vage Vorstellung von der Technik, die sie für eine innovative, aber harmlose Methode hielten, die Benutzung von Computern noch reizvoller zu gestalten. Ob sie das wirklich glaubten oder es sich nur eingeredet hatten, wollte ich dahingestellt lassen. Glenn Kindle schien ihre Sicht der Dinge zu teilen, aber bei ihm hatte ich noch nie gewusst, woran ich war. Der größte Unsicherheitsfaktor war Annie. Vielleicht konnte ich noch mehr Informationen aus ihr herauskitzeln.
»Und was ist mit den Ratten?«
Die anderen starrten mich an.
»Strawberry Labs.«
»Ich habe keine Ahnung, wovon der Mann redet«, sagte Kindle hastig. Er schüttelte den Kopf und blinzelte hektisch. Seine Verwirrung schien echt.
»Worum geht es da?«, fragte Rothsberger.
»Ich habe keinen blassen Schimmer, Mr Rothsberger.« Kindle warf mir durchbohrende Blicke zu. »Sie gehen jetzt besser.«
Ich sah Annie an. Sie erwiderte meinen Blick und sah dann weg. Es klang so, als wüsste ihr Vater tatsächlich nichts von den Ratten.
»Tierversuche?« Helen Douglass schüttelte den Kopf und zuckte die Achseln.
»Davon war mir nichts bekannt«, versicherte Latzke. »Ich wurde nicht informiert. Falls nötig, werde ich das meinen Aktionären glaubhaft zu machen wissen.«
Annie streckte die offenen Hände aus, wie um den Mob zu beruhigen. Kindle strich sich das Haar aus dem Gesicht.
»Ich kann das erklären«, sagte Annie.
»Setz dich, Annie.«
»Annie?«, fragte jemand.
»Tara.«
Sie sah ihren Vater an. Dann hob sie resigniert die Hände, überließ ihm das Feld und setzte sich.
»Wie gesagt, ich halte es für besser, die Besprechung auf später zu vertagen«, sagte Kindle. »Wir wollen Sie nicht mit Banalitäten behelligen.«
»Sehr rücksichtsvoll. Aber informiert werden möchten wir schon.
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