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Süchtig

Titel: Süchtig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matt Richtel
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Benutzung der Tastatur mit angenehmen Empfindungen koppeln können. Die Wirkung ist mit der einer kleinen Dosis Koffein vergleichbar.«
    Nach einer höflichen Pause sprach er weiter. »Das gesamte Computererlebnis wird verstärkt. Alle Sinne sind beteiligt. Die Verbindung von Chip und Gehirn. Die Benutzer wollen immer mehr davon, weil die Erfahrung so angenehm ist.
    Da es sich um einen körperlichen Vorgang handelt, vermittelt der Computer ein bisher ungekanntes Lustempfinden. Das ist also der Vorteil für den Benutzer. Wir schaffen uns dafür einen Benutzerstamm mit bisher unbekannter Loyalität. Sie wissen ja selbst, um im Internet Geld zu verdienen, reicht es nicht, möglichst viele Besucher auf einer Website zu haben. Dieses Geschäftsmodell hat sich schon während des Booms als nicht tragfähig erwiesen. Wir brauchen eine Loyalität, die nur durch ein intensives, interaktives Erlebnis erreicht werden kann.«
    »Aber was wollen Sie damit erreichen, Mr Kindle?«, erkundigte sich Helen Douglass. »Haben Sie ein konkretes Geschäftsmodell?«
    Jetzt kam Bewegung in die Sache. Ich konnte Kindle nicht ausstehen und war entsetzt, dass er die möglichen Nebenwirkungen verschwieg. Trotzdem musste ich seine Verkaufstechnik bewundern. Das hier war sein ganz persönlicher SkyMall-Katalog, den er mit der Gewandtheit eines Predigers des Kapitalismus anpries.
    »Gute Frage. Es gibt mehrere aussichtsreiche Optionen«,
erwiderte er. »Zum einen wird sich diese Technologie zum Heiligen Gral der Werbebranche entwickeln. Wir schaffen einen Benutzerstamm, der vollkommen in die PC-Welt eintaucht. Computer und Fernseher besitzen ohnehin eine hohe Attraktivität. Licht und Ton sind starke Stimulanzien. Wir verstärken nur noch einmal die Intensität. Die Menschen werden sich gar nicht mehr vom Bildschirm und unseren Botschaften losreißen können. Politische Inhalte, kommerzielle Sendungen – alles ist möglich. Wir können ihnen unsere Software, unsere Hochgeschwindigkeits-Internetverbindungen und unsere Verbraucherprodukte verkaufen.«
    »Das klingt mir sehr nach Gehirnwäsche«, gab Helen Douglass zu bedenken.
    Die Stimme, die ihr antwortete, schien aus weiter Ferne zu kommen. »Die Technologie an sich ist völlig wertneutral«, mischte sich Annie ein. »Wir schreiben das Jahr 2006, nicht 1984.«
    Die anderen drehten sich nach ihr um.
    »Wir brauchen das Gefühl, mit der Welt in Verbindung zu stehen. Wir sehnen uns nach einer realen Erfahrung«, sagte Annie.
    Ich war hin- und hergerissen. Ihre Worte klangen überzeugend, aber ich konnte sie nicht mehr ernst nehmen.
    »Wie Sie wissen, hat Tara an der Entwicklung und Erprobung der Technologie mitgearbeitet«, unterbrach Glenn Kindle. »Das ist natürlich noch kein Geschäftsmodell«, setzte er zu seiner Tochter gewandt hinzu.
    »Natürlich nicht«, erwiderte sie nachgiebig. »Aber das Geschäftsmodell und die Einsatzmöglichkeiten
bergen ein enormes Potenzial. Und der Wirkungsgrad! Sehen Sie, jeder erwartet vom Internet kostenlose Informationen. Die Leute wollen Nachrichten, Sport, Filme und Musik, ohne dafür zu bezahlen. In Zukunft schenken sie uns dafür eben ihre Aufmerksamkeit.«
    Annie legte eine Pause ein und griff nach einer Wasserflasche auf dem Tisch. Als sie trank, begegnete ihr Blick kurz dem meinen. Ihre Augen funkelten. Ich rief mir ins Gedächtnis, wie sie ihren Hund gestreichelt und auf die Nase geküsst hatte. Ihre Zuneigung hatte auf mich völlig aufrichtig gewirkt. Wer war diese eiskalte Person, die ihren Platz eingenommen hatte? Oder spielte sie eine Rolle? Auf jeden Fall konnte ich keinen Unterschied feststellen. Sie schien die Situation zu genießen.
    Sie stellte das Getränk ab und sprach weiter. »Wir haben nicht nur die Tastatur-Methode optimiert, sondern auch den Einsatz sublimer Werbebotschaften. Dazu fügen wir Bilder von hoher Intensität in den Hintergrund der Website ein, die so kurz zu sehen sind, dass sie gar nicht wahrgenommen werden. Das hat schon Hitchcock in seinen Filmen praktiziert. Das Revolutionäre an unserer Methode ist, dass unsere Botschaften in hohem Maße persönlich sind, weil wir die Surf-Gewohnheiten des jeweiligen Benutzers kennen. Skifahrern zeigen wir Angebote für Reisen nach Aspen, Hobbyköchen den George Foreman Grill.«
    »Das klingt mir höchst dubios«, wandte Helen Douglass ein. »Was ist mit der Telekommunikationsbehörde? Wir wollen doch nicht dieselben Fehler machen wie die Tabakindustrie.«
    »›Sublime Werbung‹ ist

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