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Südbalkon

Südbalkon

Titel: Südbalkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Straub
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aufeinander.
    »Und?«
    »Ich dachte, dass du Herrn Walter fragen könntest.«
    Er grinste. »Den feschen Herrn Walter.«
    »Was fragen?«
    »Ob seine Bank in unser Projekt investieren möchte. Wozu ist er schließlich dort Direktor?«
    Jetzt war es also plötzlich unser Projekt.
    »Du meinst, ich soll ihn in deinem Namen anpumpen?«
    Raoul winkte ab. »Wie du das sagst … Das ist eine große Chance, dabei kann viel Geld herausspringen!«
    »Und wieso tut es das nicht gleich, das Geld? Wieso springt es nicht gleich heraus?«
    Raoul gab einen Unmutslaut von sich und klatschte mit der Handfläche aufs Wasser.
    »Soll ich dir erklären, wie die Wirtschaft funktioniert? Wir sind in der Entwicklungsphase einer Innovation. Das wird einschlagen wie eine Bombe. Aber dafür braucht es Geld. Das kostet einfach. Also: Machst du’s?«
    »Ich glaube nicht, dass Herr Walter freihändig Gelder verteilen kann.«
    »Du willst ihn nicht fragen.«
    »Ich hab nicht gesagt: Ich will nicht. Ich habe nur gesagt, dass ich nicht glaube –«
    »Schon in Ordnung.« Er richtete sich auf und stieg aus der Wanne. Bis auf die Unterschenkel war der ganze Mann staubtrocken, dennoch rubbelte er sich mit einem Badehandtuch Kopf, Rücken und Arme ab. In letzter Zeit hatte er etwas zugelegt um die Mitte, nichts Irreparables, nur das Ergebnis von zu viel Blutwurst und zu wenig Bewegung.
    »Frag Maja«, sagte ich. »Das ist doch ihr Metier, oder etwa nicht? Ich dachte, sie berät dich.« Ich fand meinen Schachzug großartig. Jetzt musste er antworten.
    »Genau das«, sagte er und klopfte gegen die Wanne, »hat sie mir geraten.« Augenblicklich schwand mein Restrespekt, den ich ihrer Beratungstätigkeit entgegenbrachte. Wie kam sie dazu, meine Familie zu instrumentalisieren? Und washatte Raoul ihr von mir und meinem Umfeld erzählt? Ich zitterte vor Wut. Und weil das Wasser mittlerweile kalt geworden war.
    Drei Uhr zwölf. Ich schließe die Augen. Du schläfst ein, du schläfst ein, du schläfst ein. Entspannt durch die Nase atmen. Die Schulter juckt. Der Fuß auch. Allergie? Parasiten? Ich knipse die Leselampe an, um meinen Fuß zu betrachten. Rote Striemen dort, wo ich gekratzt habe. Sonst keinerlei Auffälligkeiten. Licht aus. Sichere Seitenlage. Der rechte Arm schläft ein. Immerhin, ein Teilerfolg. Besser wieder umdrehen. Entspannte Rückenlage. Wenn Extremitäten schnell einschlafen, kann das ein Zeichen für Wirbelblockaden sein. Halswirbelsäule im Eimer. Augen zu, Augen zu. Morgen ist auch noch ein Tag. Ist morgen noch ein Tag?
    Drei Uhr dreizehn. Auf Zehenspitzen durchs Wohnzimmer. Mist, mitten durch die Tabuzone. Egal. Ich bin hellwach, deutlich klarer als am helllichten Tage. Das Brummen des Kühlschranks beruhigt mich. Ich öffne ihn und schließe ihn wieder. Ich überlege, einen Nervenkeks von der heiligen Hildegard zu essen. Aber ich halte mich rigoros an das Nachtnaschverbot, besser den Magen nicht aufwecken.
    Hinüber zur Toilette. Raoul hat wieder vergessen, den Deckel zu schließen. Ich schiebe die Klorollen beiseite, Fenster auf. Am Himmel parken dicke schwarzblaue Wolken. Die Wohnungen unter mir sind dunkel, auch die der Wesselys. Ihr Schlafzimmerfenster ist geöffnet, der Wind bauscht die Vorhänge. Ich kneife die Augen zusammen, bemühe mich, Schatten, Umrissen, Silhouetten auszumachen. Gespensterfernsehen. Doch da ist nichts, sie scheinen zu schlafen, ein leichterSchlaf bis auf Widerruf, bis Moritz sich meldet und mit seinem Heulen die Stille vernichtet.
    Ich war lange Zeit eifersüchtig auf Judith Wessely. Auf ihren Mann mit dem bürgerlichen Beruf, auf ihre bürgerliche Haarpracht, ihre Karriere im Management, die sie für das Kind unterbrach, auf das Kind, selbst als es sich als Schreibaby entpuppte. Man weiß ja vorher nie, was man bekommt.
    Wir hatten uns vorgenommen, zeitgleich schwanger zu werden. Bei Judith klappte es sofort. Sie wartete, bis ich am Fenster erschien, dann hielt sie mir den Schwangerschaftstest entgegen. Damals hatten wir die Fenster-zu-Fenster-Kommunikation perfektioniert. Es war Judiths beste Zeit, sie strahlte, wann immer ich ihr begegnete.
    Ich erwartete jeden Augenblick, ebenfalls schwanger zu werden. Insgeheim hoffte ich darauf, dass Judith mich anstecken würde. Als die Ansteckung ausblieb, beschloss ich, meine Gebärmutter mit der Kraft der Psyche zu unterstützen. Der Babysupermarkt erschien dafür der ideale Ort. Maja begleitete mich zur moralischen Unterstützung. Der Ablauf war immer derselbe:

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