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Südbalkon

Südbalkon

Titel: Südbalkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Straub
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Mannes hinaufgerutscht, ich kann seinen behaarten Bauch sehen.
    »Schön, dass Sie mir helfen«, sagt er. »Eine bessere Wahl hätte ich nicht treffen können.« Er stützt sich auf seinen Unterarm auf. »Bevorzugen Sie eine feste Matratze oder mögen Sie es, so richtig einzusinken?«
    »Ich mag es lieber härter«, sage ich.
    »Ach«, sagt der Mann. »Ich verstehe. Wenn Sie so freundlich wären: Darf ich Sie noch für ein letztes Experiment missbrauchen?«
    Er zieht ein Tuch aus seiner Hosentasche und schwenkt es vor meinem Gesicht, als wolle er mich auf einen Zaubertrick vorbereiten.
    »Wenn es schnell geht«, sage ich. »Ich bin verabredet.«
    »Ganz schnell«, sagt er. »Bitte reichen Sie mir Ihre Hand. Ganz entspannt daliegen. Und nicht erschrecken.«
    Er schlingt das Tuch zunächst um mein Handgelenk, dann um eine Sprosse des Betthauptes und knotet es fest.
    »Und jetzt rufen Sie bitte: ›Nein, Gerhard, aufhören.‹ Ich heiße nämlich Gerhard.«
    »Nein, Gerhard, aufhören«, sage ich.
    »Lauter«, sagt er. »Meine Frau ist lauter. Deutlich lauter.«
    »Ich muss jetzt wirklich weiter«, sage ich.
    »Nur einmal noch«, fleht er. »Bitte.«
    »Binden Sie mich los, Gerhard«, sage ich mit Nachdruck. »Jetzt sofort!«
    »Das war schon ganz gut«, sagt der Mann.
    Ein Gesicht beugt sich über mich. »Ruth? Was ist los!«
    Es ist Maja. Schick sieht sie aus mit ihrer Brille.
    »Was machen Sie mit meiner Freundin?« Sie wendet sich an Gerhard mit ihrer strengsten Stimme. Das meine Freundin fühlt sich warm und gut an, und ich bin schon wieder bereit, ihr alles zu verzeihen, wenn sie nur öfter sagte: Was machen Sie mit meiner Freundin .
    Wir kichern noch, als wir die Küchenabteilung durchqueren und durch eine schmale Tür in die Schreibtischabteilung schlüpfen. Wir kennen alle Abkürzungen. Noch zweimal abbiegen, dann sind wir in unserer Musterwohnung angelangt: 47 Quadratmeter, Hochbett mit integriertem Schreibplatz, Eckcouch, Bad, Mini-Küche, Teppiche mit psychedelischem Muster.
    Die Sache mit dem Möbelhaus war meine Idee. Täglich ins Café, das kann ich mir nicht leisten. Maja war sofort Feuer und Flamme. »Wie wunderbar schräg!«, rief sie aus. »Du bist meine Sparmeisterin, meine Geiz-Prinzessin!«
    Üblicherweise bringen wir Thermoskannen mit Kaffee und Tee mit, im Sommer kalte Getränke. Ein einziges Mal hatten wir ein Picknick veranstaltet, mit Sandwiches und Kuchen. Die Möbelhaus-Kunden glaubten an ein Happening, dieMöbelhaus-Mitarbeiter nicht, und sie komplimentierten uns hinaus. Seither halten wir es wie eine Untergrundorganisation und wechseln regelmäßig unseren Aufenthaltsort.
    »Deine Zahlen bitte«, sagt Maja, nachdem wir es uns bequem gemacht haben.
    »Welche Zahlen?«
    »Der Businessplan.«
    »Businessplan?« Ich sehe in meine leeren Hände.
    Sie rückt ihre Brille zurecht. »Einverstanden, fangen wir anders an. Erzähl mir von deiner Geschäftsidee. Was. Hast. Du. Vor?« Sie redet mit mir wie mit einer Begriffsstutzigen.
    Ich gehe gedanklich die Geschäfte in der Przewalskistraße durch.
    »Ich dachte an Schmuckimport aus einem Schwellenland«, sage ich. »Afrikanische Ketten, asiatische Zehenringe, so was in der Art.«
    »Hmhm«, sagt Maja. »Sehr ausgereift scheint die Idee nicht zu sein.«
    Ich zucke mit den Schultern. »Ich dachte, ich fange erst einmal an. Dann sehe ich ohnehin, ob es einschlägt.«
    »So geht das aber nicht«, sagt Maja streng und droht mit dem Zeigefinger. »Selbständigkeit ist kein Ponyhof, da will alles gut überlegt sein. Im Prinzip musst du heute schon wissen, was du in drei Jahren verdienen wirst.«
    Ein abstruser Gedanke. »Ich weiß nicht, was ich in drei Stunden essen werde – wie soll ich da wissen, was ich in drei Jahren verdiene?«
    »Siehst du, das ist der Unterschied zwischen dir und mir«, sagt sie und schüttelt ihren Bob. »Ich weiß sehr wohl, was ich in drei Stunden essen werde.«
    Ich taste nach dem Päckchen, das ich im Seitenfach meines Beutels verstaut habe. Die Kontaktlinse, gut verwahrt in einigen Schichten Papiertaschentuch. Ob ich Maja die Linse aushändige, mache ich vom Ergebnis des Gesprächs abhängig.
    »Wie läuft es eigentlich mit Raouls Projekt?«, frage ich. »Wie oft trefft ihr euch? Und wieso rätst du ihm, Bekannte meiner Eltern anzupumpen?«
    »Im Prinzip sind das viele Fragen auf einmal«, sagt Maja. »Lass uns doch über dich reden. Es geht um dein Projekt. Deine Zukunft. Was du brauchst, ist eine Portion gesunden Egoismus.

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