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Südbalkon

Südbalkon

Titel: Südbalkon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabella Straub
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Haben sich Raouls gesundheitliche Probleme abgezeichnet? Ich versuche, mich zu erinnern, wann er das letzte Mal krank war. Er ist der robustere von uns beiden, zäh wie ein skandinavischer Holzfäller.
    Die Zimmertür wird geöffnet. Schritte, am Bad vorbei. Ich schrecke auf. Ein Arzt, wunderbar. Ich höre Rascheln und Lachen. Raoul lacht, tatsächlich. Und dann ist da noch eine Kaskadehellen Lachens. Eine Ärztin? Ich öffne die Badezimmertür einen Spalt – und pralle zurück. Vor Raouls Bett steht Maja, einen Blumenstrauß in der Hand. Raoul sitzt aufrecht im Bett und plappert, als sei nichts vorgefallen. Ich schließe mich rasch wieder ins Bad ein und presse das Ohr an die Tür. Ich kann die Wortschnipsel »Ameisen«, »schmerzhaft« und »Ambulanz« hören. Maja sagt, sie habe mit Kronauer gesprochen – oder sagte sie Krobauer? Er habe ihr bestätigt, dass. Unverständliches Gemurmel.
    Ich öffne die Tür einen Spalt.
    »… versucht, dich zu erreichen«, sagt Maja. »Ich hab mir Sorgen gemacht.«
    »Ich weiß«, sagt Raoul.
    »Umschalten, jetzt kommen die Nachrichten!«, ruft Hugo.
    Nächste Woche sei er bestimmt wieder auf dem Damm, dann holten sie es nach. »Wir holen alles nach«, sagt Raoul, »alles«, und Maja sagt: »Ich freue mich darauf.« Wortwörtlich. Ich freue mich darauf.
    Meine Hände zittern. Ich sehe mich hinausgehen, sie von hinten an den Haaren packen und aus dem Zimmer schleifen. Ich sehe mich, wie ich sie zu Boden werfe und ihre Augen mit desinfizierender Seife spüle. Die Wut ist eine rotierende Flipper-Kugel, die gegen die Gedärme prallt. Ohne lange zu überlegen, greife ich in die Hosentasche und entfalte ein Taschentuchpäckchen. Da ist sie, die Linse, klein und hart, staubtrocken. Ich klappe den Toilettendeckel hoch und lasse sie in die Schüssel fallen. Ein kurzer Triumph. Die Linse ist blau getönt, sie schwimmt im Porzellanbecken wie ein winziger exotischer Fisch. Ich überlege, noch drauf zu pinkeln, doch die Blase ist leer, nichts zu machen. Also spucke ich zweimal in die Schüssel, bevor ich die Spülung betätige.
    Als das Rauschen verklingt, höre ich Raoul sagen: »Im Badezimmer ist eine Vase.«
    Verdammt, sie sucht ein Gefäß für ihr blödes Gestrüpp.
    Im nächsten Augenblick drückt sie bereits die Klinke herunter und sagt enttäuscht: »Besetzt«, und Hugo ruft: »Bei mir ist noch frei, schönes Fräulein!«
    Irgendwann geht Maja, ihre Stöckelschuhe morsen eine Botschaft auf den Linoleumboden. Ich warte einige Augenblicke, dann schlüpfe ich aus dem Bad. Multiples Schnarchen. Schon stehe ich wieder auf dem gottverlassenen Krankenhausflur mit seinen nutzlosen Richtungspfeilen, als mich eine tiefe Erschöpfung überfällt, und als ich das verwaiste Bett hinter dem Mauervorsprung entdecke, beschließe ich, mich für eine Minute auszustrecken. Eine Minute nur, sogar meine Schuhe lasse ich an, schließlich muss ich nach Hause, das Laken ist frisch und riecht nach porentiefer Sauberkeit, nach riesigen Waschtrommeln, in denen sich die Wäsche des Krankenhauses dreht, und im nächsten Moment tauche ich ein in ein elastisches Dunkel, das mich umwickelt wie eine Mullbinde.

14
    Wir stehen auf einer Anhöhe, Raoul und ich, über uns die Sonne wie ein zerlaufenes Eidotter. Der Wind trägt das Läuten der Kirchturmglocken zu uns herüber, in Sichtweite grasen Schafe; eine Landschaft wie aus dem Katalog.
    Raoul trägt einen Weidenkorb. Ich sage: Hier ist der ideale Platz für unser Picknick. Wir setzen uns, das Gras ist warm und kuschelig. Raoul köpft eine Flasche Wein. Ich strecke mich aus. Der Himmel ist ein blaues Tuch. Ameisen krabbeln über meine Hand. Ich schüttle sie ab. Plötzlich ein Gefühl, als sänke ich ein. Unter mir: Treibsand. Ein Strand, menschenleer. Die Wellen lecken an meinen Zehen. Raoul ist verschwunden. Ich will nach ihm rufen, doch aus meiner Kehle dringt nur ein heiseres Stöhnen. Ein Schiff steuert direkt auf mich zu. Hafenpolizei. Eine schwarzhaarige Frau in Uniform lässt sich in einem Ruderboot an Land bringen. Sie will meine Liegegenehmigung sehen. In der Hand hält sie einen Schlagstock. Es ist Maja. Ich habe furchtbare Angst und versuche zu fliehen. Sie legt mir Handschellen an.
    »Wo ist die Genehmigung?«, schreit sie immer wieder.
    Maja lässt mich auf das Polizeiboot bringen. Es schaukelt bedrohlich, mir wird übel. Ich beschließe, mich ins Meer zu stürzen, trotz der Handschellen. Nur weg. Ich springe. Glücksatmung, denke ich. Die

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