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Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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Kopfsalat unterm Arm, das ist ja Unsinn.«
    Mit ernster Miene sah sie erst mich an, dann Sonja.
    »Bin noch so rumgeschlendert, hab überlegt, ob ich mir eine Salzgurke kaufe, wie früher, aber da standen auch Leute an. Ich mag das nicht, wenn Leute anstehen, ich bin so viel angestanden früher, wegen Lebensmittel, wegen allem Möglichen, immer anstehen und warten, und jeder sieht einen, das mag ich nicht, ich bin lieber unauffällig. Ich wollt trotzdem noch bleiben auf dem Viktualienmarkt, gibt ja tolle Sachen da, die Früchte, die Oliven, gabs früher alles nicht. Zufällig bin ich an der Suppenküche vorbeigekommen und da saß sie, Paula, allein, und hat eine Suppe gegessen. Ich hab mir dann ein Lüngerl geholt und eine Scheibe Schwarzbrot dazu. Hat gut geschmeckt. Die können das, das war eine pfiffige Idee von der Frau, die die Suppenküche erfunden hat. Paula hat eine Nudelsuppe mit Ochs gegessen, da wenn man nicht aufpasst, spritzt einem bei jedem Löffel alles aufs Kleid. Die Nudeln rutschen runter und platschen in die Suppe. Und man hängt ja da mit dem Kopf drüber. Anders kann man nicht Suppe essen. Da kommts auf Schönheit nicht an. Hat meine Mutter immer zu mir gesagt, wenn sie geschlürft hat, das musste sein, das war ein Zeichen von Anerkennung für die Köchin. Bei uns musste man sich dem Essen widmen, da wurde nicht rumgeziert, da wurden auch die Hände benutzt und abgeschleckt am Schluss. Paula hat mir von ihrer Arbeit erzählt, sie hat auch gesagt, es ist schade, dass wir uns so selten sehen. Das macht nichts, hab ich zu ihr gesagt, und sie hat sich bedankt. Das weiß ich noch, sie hat danke gesagt. Jetzt fällts mir wieder ein. Wieso hat sie das gesagt? Kann sie ja mal fragen. Wenn ich sie das nächste Mal treff. Wir haben natürlich über Lotte gesprochen, aber es gab nichts Neues, alles wie immer, Max in der Werkstatt, Lotte zu Hause, oder sie geht zu dieser Frau am Harras, sie hätte eine gute Schneiderin werden können, die Lotte, aber sie hatte keinen Ehrgeiz. Überhaupt keinen Ehrgeiz. Aus ihr hätt was werden können. Und sie hat sich mal überlegt, nach Paris zu gehen, wegen der Mode. In den sechziger Jahren war das, da hat sie darüber nachgedacht. Dann hat sie es gelassen. Sie hing ja immer mit Paula zusammen, die beiden waren unzertrennlich. Paula…«
    Ruckartig drehte sie den Kopf und blickte zum Fenster. Das Licht war schwächer geworden. Die Gardine bewegte sich kaum noch. Das Gezwitscher wurde leiser.
    »Die beiden waren schon damals eng befreundet«, sagte Sonja. Sie sah mich an. Ich nickte.
    »Ja, Paula war…« Grete Holen trank Tomatensaft, leckte sich die Lippen und schmatzte leise. »Das ist vorbei… Sie hat eine Zeit lang als Frau gearbeitet… als Frau, ja? Sie hat das verkauft, dass sie eine Frau war, eine junge Frau. Eine Frau ist sie ja immer noch, was red ich denn da?«
    »Sie hat als Prostituierte gearbeitet«, sagte Sonja.
    »Nicht direkt«, sagte Frau Holch. Sie stellte das Glas hin und verharrte vornübergebeugt. »Nicht offiziell. Illegal. Eigentlich illegal. Oder ist das immer illegal? Sie hatte jedenfalls keinen… keinen solchen Mann… Später hatte sie eine Anstellung in einem Lokal, auf der Schwanthaler Höh, sie hat gut Geld verdient…«
    »Wie lange hat sie das gemacht?«, fragte Sonja. Unabsichtlich schlug sie mit ihrem Knie gegen meines. Ich schlug absichtlich zurück. In diesem kindischen Augenblick fiel mir ein, dass ich Ute versprochen hatte, sie anzurufen.
    »Nicht lange«, sagte Frau Holch, »zwei Jahre, drei Jahre, dann hat sie aufgehört, von einem Tag auf den andern, wie andre Leute mit dem Rauchen aufhören.«
    »Warum hat sie aufgehört, Frau Holch?«
    »Sie hat einfach aufgehört. Und ist mit Lotte zusammengezogen. Lotte hatte für sie beide eine Wohnung besorgt, in der Müllerstraße, gleich beim Sendlinger Tor. Da haben sie dann gewohnt. Bis Lotte geheiratet hat und mit Max zusammengezogen ist. Da wohnen sie immer noch. Wir sind seßhafte Naturen, meine Tochter und ich.«
    Endlich hatte sich eine kleine Tür geöffnet. Doch anstatt dass die Vergangenheit sich etwas aufhellte, wechselte nur die Form der Schatten.
    »Kannten sich Max und Paula zu der Zeit, als sie in diesen Bars arbeitete?«, fragte ich.
    »Sie arbeitete nur in einer Bar«, sagte Grete Holch. »Sie kannten sich nicht.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Warum?«, sagte Sonja.
    »Weil Lotte Max erst kennen gelernt hat, als sie schon mit Paula zusammenwohnte. Und zwar hat sie

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