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Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels

Titel: Süden und das Gelöbnis des gefallenen Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Ani
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offen standen, gingen auf einen Hinterhof mit einem Garten und einem Apfelbaum.
    Ich setzte mich aufs Fensterbrett.
    »Milch und Zucker?«, fragte Veronika Mrozek an der Tür.
    »Unbedingt.«
    Der Hof lag im Schatten. In den Zweigen sangen Vögel, übertönten das Geblöke von der Straße. Gerade kam die Wirtin mit der Kaffeetasse herein, da klingelte das Telefon. Ich nahm ihr die Tasse ab.
    »Für Sie!«, rief sie von der Rezeption. Ich stellte die Tasse hin und ging zu ihr.
    »Ja«, sagte ich ins Telefon.
    »Ich soll dir von Frau Feyerabend ausrichten, sie kommt noch später, sie muss sich dringend eine Wohnung ansehen«, sagte Andy Krust. »Dann zu der Adresse. Ich hab den Namen gecheckt, Vorname, Familienname, gibts hunderte. Dann: Tinaweg 7, den gibts achtmal in Deutschland, aber in diesen Tinawegen gibts keinen Jan Schuster, weder in Nummer 7 noch in einem anderen Haus. Eichenlohe: Null, diesen Ort gibts nicht. Ich hab auch Österreich durchlaufen lassen, nichts. Die Adresse ist falsch. War der Grauke in Neuperlach?«
    »Ja«, sagte ich.
    »Da wird sich Herr Thon freuen.«
    »Worüber?«, sagte ich.
    »Was?«
    Ich verabschiedete mich. Dann ging ich zur Haustür, drehte mich um, ging zurück zur Rezeption, vier Meter, warf einen Blick auf die beiden Landschaftsbilder an der Wand, die dem im Zimmer glichen, ging wieder in den Frühstücksraum.
    »Herr Grauke hat also nie hier gefrühstückt«, sagte ich.
    »Nein.« Frau Mrozek folgte mir.
    Ich setzte mich an einen Tisch, auf dem eine raue, mit Tiermotiven bestickte Tischdecke lag.
    »Wie ist Herr Grauke auf Ihre Pension gekommen?« Frau Mrozek zuckte mit einer Achsel.
    »Wie lange sind Sie schon hier?«
    »Wie lange? Drei Jahre? Ja, drei Jahre, da hatte meine Mutter einen Schlaganfall, und da bin ich eingesprungen. Ich bin gelernte Apothekerin, aber… aber so richtig Spaß gemacht hat mir die Arbeit sowieso nicht mehr. Ja, und jetzt bin ich hier, und da werd ich auch bleiben. Meine Mutter hat mir die Pension überschrieben, es geht ihr wieder viel besser, aber arbeiten möchte sie nicht mehr. Und mir gefällt das hier. Sind schon kuriose Leute, die da auftauchen, jeder ist irgendwie eigen.«
    »Kann ich mit Ihrer Mutter sprechen?«, sagte ich.
    »Warum nicht? Sie wohnt gleich nebenan. Ich auch.«
    »Was war letzten Mittwoch?«, sagte ich.
    Sie setzte sich an meinen Tisch. »Da ist Herr… Grauke, ich kann mich nicht an den Namen gewöhnen… da ist er ausgezogen. Bezahlt hat er schon am Abend vorher. Ganz ordentlich. Hat mir zehn Mark Trinkgeld gegeben. Ich hab ihn natürlich gefragt, ob er zurückfährt nach… wie heißt der Ort?«
    »Eichenlohe.«
    »Genau. Er hat gesagt, seine Cousine holt ihn mit dem Auto ab, die hätte beruflich in München zu tun und würde ihn mitnehmen. Und am Mittwochmorgen ist er dann gegangen, so gegen acht.«
    »Haben Sie seine Cousine gesehen?«
    »Nein. Herr… Grauke ist mit seinem Koffer auf die Straße gegangen, wir haben uns hier verabschiedet. Ich geh meinen Gästen nicht hinterher. Ich hätt nicht weiter an ihn gedacht, wenn heut früh nicht das Bild in der Zeitung gewesen wär. So ein Schreck.«
    »Die Cousine hat nicht bei Ihnen angerufen?«
    »Nein.«
    »Hat Herr Grauke erzählt, wo genau er früher in Neuperlach gewohnt hat?«
    »Ja, in der… am Adenauer Ring, hat er gesagt. Wie gesagt, ich wollt ihn nicht ausfragen.«
    Er hatte nie in diesem neuen Stadtteil gewohnt. Er wohnte seit Ende der sechziger Jahre in der Innenstadt. Dennoch musste es eine Verbindung zu Neuperlach geben, einen Menschen, der diese Verbindung all die Jahre aufrechterhalten hatte, oder eine Erinnerung daran.
    Wir kamen absolut ungelegen. Roberta Lohss war mitten in der Arbeit. In dem Zimmer, dessen zwei Fenster wie in der Pension weit offen standen, gab es nichts außer einer Staffelei, Farbtöpfen und einem weißen Tisch, der überquoll von Pinseln, Lappen, Spraydosen und Zeitungen. Veronikas Mutter hatte Kopfhörer auf, trug ein bodenlanges rotes Kleid voller Farbspritzer und keine Schuhe. Ihre Zehennägel hatte sie rot lackiert. Nachdem Veronika geklopft hatte, hatte sie einen Spaltbreit die Tür geöffnet. Nach einer Weile durften wir eintreten.
    Roberta klemmte die Kopfhörer um den Nacken.
    »Was ist?«, sagte sie. Ihre Stimme war rau. Ich schätzte die Frau auf Mitte siebzig. Sie hatte gebräunte Haut, aber ein blasses Gesicht, das aufgedunsen wirkte. Ihre Augen waren tiefschwarz.
    »Der Mann ist Polizist«, sagte Veronika. Ich nannte meinen

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